Herr Dr. Martin Wulf als Tagungsleiter eröffnete den Steueranwaltstag 2014 im Hotel Adlon in Berlin, indem er auf die inzwischen 20-jährige Tradition der Arbeitsgemeinschaft hinwies, die Tagung in Berlin durchzuführen. Er wies auf die aktuell hohe Beteiligung der Richterschaft bei den Referenten hin. Die Verwaltung solle bei der nächsten Veranstaltung wieder aktiviert werden, Rechtsanwälte als Vortragende sind bleibender Baustein.
Steueranwaltstag 2014
Die Tagung begann mit dem Vortrag von Frau Kollegin Dr. Stefanie Beinert aus der Kanzlei Hengeler Müller zum Thema "Tax Compliance". Sie stellte die Notwendigkeit eines funktionierenden Compliance-Systems mit den zugehörigen Haftungsfragen und den strafrechtlichen Rechtsfolgen umfangreich dar. Die anschließende Diskussion beschäftigte sich mit der Frage des Deckungsumfangs der D&O Versicherung auch in Bezug auf die Anwaltshonorare bei der Strafverteidigung.
Fortgesetzt wurde die Tagung durch einen Vortrag von Dr. Andreas Rosenfeld, Rechtsanwalt der Kanzlei Redeker, Sellner Dahs, mit dem Thema "EU-Beihilferecht". Die Arbeit der Kommission als EU-Beihilfenkontrolle wurde unter Beleuchtung der Grundlagen, Zweifelsfragen und Diskussionspunkte umfangreich mit dem besonderen Bezug auf das Steuerrecht dargestellt.
Nach der ersten Kaffeepause kündigte Herr Dr. Martin Söffing als weiterer Tagungsleiter den weiteren Vortrag zu den steuerlichen Nebenleistungen an.
Herr Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und Öffentliches Recht der Universität Düsseldorf und Richter am Finanzgericht, trug zu diesem wirtschaftlich brisanten Thema vor. Die sog. Nebenleistungen sind in der wirtschaftlichen Bedeutung wegen der gesetzlich festgeschriebenen Höhe der Zinsen immens. Sein Schwerpunkt in einem nicht von Folien begleiteten Vortrag, der trotzdem oder vielleicht deswegen besonders Aufmerksamkeit und Interesse hervorgerufen hat, beschäftigte sich mit den Zinsen und dem Verzögerungsgeld. Seine Reformvorschläge am "Reformationstag" waren die Einführung eines variablen Zinssatzes und beim Verzögerungsgeld die Reduktion auf das ursprünglich vorgesehene "Verlagerungsgeld" und, wenn eine Norm für mangelnde Mitwirkung vorhanden sein soll, so könne § 200 AO oder § 200a AO als die richtige gesetzliche Verortung angesehen werden.
Nach der Mittagspause zeigte Herr Dr. Martin Wulf die Möglichkeit hinsichtlich der zukünftigen Fortbildung der 15 Stunden zur Fachanwaltschaft bei der Arbeitsgemeinschaft auf. Die Tagung "Internationales Steuerrecht", die auf Mallorca jedes Jahr stattfindet, wird auf 15 Stunden angehoben. Die per Onlineabfrage ersetzbaren Fortbildungsstunden werden zusammen mit der Anwaltsakademie erarbeitet um den "fleißigen Lesern" des Steueranwaltsmagazin die Möglichkeit zu geben, auch hierdurch Stunden nachzuweisen.
Als erster Vortrag nach der Mittagspause trug Herr Dr. Horst-Dieter Fumi, Vorsitzender Richter und Vizepräsident des Finanzgerichts Köln, zu "Gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen als Auslöser von Grunderwerbsteuer" vor. Mit spannenden Überschriften im Skript wie "Gegen die Allheit der Vielen" brachte er die Besonderheiten sehr anschaulich nahe. Die Steuersätze zur Grunderwerbsteuer seien im freien Steilflug, der Plan von NRW sei es, die Steuersätze von 5 % auf 6,5 % anzuheben. Sehr anschaulich wurde die Unterscheidung zwischen der kopfmäßigen Beteiligung und der wertmäßiger Beteiligung bei den verschiedenen Betrachtungen bei der Personengesellschaft vermittelt. Letztlich keine große Hilfe sei die sog. Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern. Diese könne vielleicht nur unter dem Gesichtspunkt "Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass" zu sehen sein. Unklar blieb letztlich, von wem das letztgenannte Zitat stammt.
„Aktuelle Rechtsprechung zum Erbschaftsteuerrecht“ lautet das Thema von Richter am BFH Dr. Matthias Loose. Die erwartete Rechtsprechung des BVerfG lag noch nicht vor, daher wandte sich der Vortragende als Mitwirkender des 2. Senat des BFH den konkreten Fälle der Vergangenheit zu. Er wies auf die ungeklärten Fälle der gleichzeitigen Erbschaft-/Schenkungsteuer und Ertragsteuer (VGA-Fälle?) hin. Von den vorgestellten einzelnen Fällen löste die Werteverschiebung zwischen Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft das höchste Diskussionsinteresse der Teilnehmer aus.
Den ersten Tag schloss Herr Prof Dr. Volker Römermann, Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG, mit dem Vortrag "Der Weg in die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung", Der Vortrag war derart lebhaft dass es fast der Charakter eines Hörspiels hatte, war die Abschlussbemerkung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Martin Wulf aufgrund des höchst pointierten Vortrags des Kollegen Römermann. Bemerkenswert klare Aussagen zu den ausufernden Überlegungen in der Literatur, die PartG mbB über die gesetzliche Konstruktion in Haftungssituationen zu bringen, zeichneten diesen Vortrag aus.
Am nachfolgenden Samstag eröffnete Herr Dr. Winfried Bergkämper, Richter am BFH vom "Lohnsteuersenat", den Vortragsteil mit dem Thema "Aktuelle Rechtsprechung zur Besteuerung der Kraftfahrzeugnutzung und anderer Sachleistungen". Das "Brot und Butter"-Thema erreichet von seiner praktischen Relevanz jeden Zuhörer.
Nach der Kaffeepause trat Herr Rechtsanwalt Dr. Peter Talaska mit einem Überblick über die geplante Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige an. Unter dem Thema "Nach der Reform ist vor der Reform - Problemlösungen im Bereich der strafbefreienden Selbstanzeige" widmete er sich der insbesondere der Norm des § 371 AO mit dem Hinweis auf die auch zu ändernde Parallelvorschrift des § 398a AO.
Sebastian Korts, RA, FAStR, FAH&GR, MBA,M.I. Tax, Köln
Die AG Steuerrecht im DAV bietet diese fachlich hochkarätige Fortbildungsveranstaltung nun seit 20 Jahren an. In diesem Jahr standen neben den Themen „Tax Compliance“, „EU-Beihilferecht“, „Grunderwerbsteuer“, „Steuerliche Nebenleistungen“, „Kfz-Nutzung und andere steuerliche Nebenleistungen“ auch die Themen „Partnerschaftsgesellschaft mbB“ sowie das „ Aktuelle Erbschaftsteuerrecht“ und die „Reform zur strafbefreienden Selbstanzeige“ auf dem Programm.
Die regelmäßig erfreulich hohen Teilnehmerzahlen lassen auf große Beliebtheit schließen und belohnen die Veranstalter für ihre Mühe, jedes Jahr aktuelle Themen und hervorragende Referenten zu finden. Anläßlich dieses Jubiläums veranstaltete die AG Steuerrecht den Steueranwaltstag (kurz STAT) vom 31.10. bis 01.11.2014 im Hotel Adlon – einer Berliner Institution - nahe des Brandenburger Tors in der Bundeshauptstadt Berlin. Das Rahmenprogramm ermöglichte den Teilnehmern, bei einem gemeinsamen Abendessen auf „hohem Niveau“ im Restaurant des Berliner Fernsehturms den Ausblick „rundum“ auf Berlin bei Nacht zu genießen.
Fachanwälte für Steuerrecht konnten ihren jährlichen pflichtgemäßen Fortbildungsnachweis über 10 Stunden im Sinne des § 15 FAO durch den Besuch des 20. Steueranwaltstags vollständig erwerben. Ab dem nächsten Jahr 2015 ist eine 15-stündige Fortbildungsdauer Pflicht. Die AG Steuerrecht im DAV wird daher ihr Fortbildungsangebot erweitern. So wird die nächste Fortbildungsveranstaltung, der „Steueranwalt International“, vom 30. April bis 02. Mai 2015 auf Mallorca 15 Stunden umfassen. Außerdem ist das Angebot für eine Online-Fortbildung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Anwalt Akademie in Vorbereitung. Nähere Informationen werden auf der Homepage der AG Steuerrecht im DAV unter www.steuerrecht.org bereitstehen.
Die Vorträge
Die Vorträge der Referenten werden im Tagungsband „Steueranwalt 2014/2015“, welcher jedem Mitglied der ARGE Steuerrecht im DAV vom Boorberg-Verlag zugesandt werden wird, veröffentlicht werden.
Mit ihrem Vortrag zum Thema „Tax Compliance“ beleuchtete Dr. Stefanie Beinert, RA StB, Hengeler Müller, Frankfurt am Main, zum Beginn des STAT die Anwendung des Steuerrechts und die Beratungstätigkeit aus einem anderen Blickwinkel als sonst Berater steuerrechtliche Fälle betrachten. Aufgrund der zunehmenden Kriminalisierung des Steuerrechts ist für Unternehmen die Errichtung eines Tax Compliance-Systems als Präventionsmaßnahme erforderlich. Dies ergibt sich zum einen aus der zunehmenden Komplexität des Steuerrechts, zum anderen aus dem Steuerstrafrecht, das bei seinen Regelungen nicht zwischen einzelnen Personen und Großunternehmen unterscheidet, ferner aus der „härteren Gangart der Finanzverwaltung“ sowie aus der Verschärfung des Steuerstrafrechts durch Gesetzgeber und Rechtsprechung. Daraus ergeben sich die Ziele der Tax Compliance: Zunächst sind steuerstrafrechtliche, ordnungswidrigkeitsrechtliche und haftungsrechtliche Risiken zu identifizieren und zu vermeiden. Es muss ferner festgestellt werden, dass die Steuererklärungspflichten im Besteuerungsverfahren erfüllt werden. Wurden steuerrechtliche Verstöße verwirklicht, muss schnell und klar gehandelt werden. Der Umgang mit Sanktionen gegen das Unternehmen selbst muss stringent sein. Bei Compliance-Untersuchungen muss die Vorgehensweise geregelt sein.
Neuerdings werden Steuerbestimmungen in EU-Staaten daraufhin geprüft, ob sie gegen das EU-Beihilfenrecht verstoßen. Über die spektakulären Prüfverfahren beispielsweise gegen Apple und Starbucks berichten die Medien seit einigen Wochen. Die sogenannte „aggressive Steuerplanung“ von global agierenden Unternehmen wird angeprangert, weil damit die Besteuerung dieser Unternehmen möglichst vermieden werden soll und dadurch den Staaten erhebliche Steuereinnahmen entgehen, die dringend für öffentliche Investitionen in den jeweiligen Volkswirtschaften benötigt werden. Worum es bei der „Anwendung des EU-Beihilfenrechts auf das Steuerrecht“ bei Steuermaßnahmen geht, welche Leitlinien die EU-Kommission bei der Prüfung zu beachten hat (Art. 107, 108 AEUV), welche Voraussetzungen für Beihilfen vorliegen müssen (Begünstigung, Selektivität) und wo der Schwerpunkt der Prüfung steuerlicher Maßnahmen liegt (territoriale Selektivität von Steuernormen), erläuterte Dr. Andreas Rosenfeld, RA, Redeker Sellner Dahs, Brüssel, anschaulich anhand der „Sanierungsklausel“ des § 8c Abs. 1a KStG. Ist diese Bestimmung als Beihilfe anzusehen, muss die Bundesrepublik die Begünstigung (Verlustvortrag) einschließlich Zinsen zurückfordern. Hierzu sind noch Klagen von 14 Unternehmen bei dem EuGH anhängig.
Zum „Streit um steuerliche Nebenleistungen – Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Bedeutung“ wies Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Richter am FG Düsseldorf, auf die inzwischen große praktische und wirtschaftliche Bedeutung steuerlicher Nebenleistungen hin. Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) „dienen der Absicherung und Durchsetzung der neben der Steuerzahlungspflicht bestehenden Pflichten des Steuerpflichtigen und Dritter im Besteuerungsverfahren“. Von den Säumniszuschlägen abgesehen bedürfen steuerliche Nebenleistungen der Festsetzung. Die Festsetzungsbescheide sind zwar oft mit der Steuerfestsetzung in dem Steuerbescheid verbunden, sind jedoch selbständig mit Einspruch und Klage anfechtbar. Nach Ausführungen zur aktuellen Rechtslage bei den „streitanfälligen“ Zinsen (§ 233 AO) und Verzögerungsgeldern (§ 146 Abs. 2b, § 3 Nr. 4 AO) bestätigte Drüen den auch von anderer Seite festgestellten Reformbedarf.
Unter der Überschrift „Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen als Auslöser von Grunderwerbsteuer“ stellte Dr. Horst-Dieter Fumi, Vorsitzender Richter und Vizepräsident des Finanzgerichts Köln, die Tücken und Fallen der Grunderwerbsteuer anhand einiger gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsvarianten dar. Nach § 1 GrEStG löst nicht nur der Erwerb von Grundstücken, sondern auch der Erwerb von Gesellschaftsanteilen Grunderwerbsteuer aus. Im einzelnen erörterte Fumi anhand von anschaulichen Beispielen folgende Tatbestände: Erwerb der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück, Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, Anteilsvereinigung oder –übertragung bei Kapital- und Personengesellschaften, wirtschaftliche Anteilsvereinigung („RETT-Blocker“), Umstrukturierung im Konzern.
Die „Aktuelle Rechtsprechung zum Erbschaftsteuerrecht“ präsentierte Prof. Dr. Matthias Loose, RiBFH, mittels folgender Urteile des Bundesfinanzhofs: Grundstücksschenkungen an Kind und Weiterschenkung an dessen Ehegatten (Schwiegerkind), steuerfreie Zuwendung eines Familienwohnheims, Steuerbefreiung für Pflege des Erblassers, Wegfall der Steuerbegünstigung des Betriebsvermögens, Schenkungen „durch Kapitalgesellschaften“. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuergesetzes, insbesondere im Hinblick auf die Privilegierung des Betriebsvermögens steht zur Zeit noch aus. Die Entscheidung wird bis zum Ende des Jahres 2014 erwartet.
Welche Haftungsfragen und Versicherungsbedingungen auf dem „Weg in die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung“ zu bedenken sind, stellte Prof. Dr. Volker Römermann, CSP, Hamburg/Hannover/Berlin, vor. Der Vortrag informierte die Zuhörer über die Gründung der PartG, die Wege von der GbR in die PartG, die Umwandlungsmöglichkeiten nach dem UmwG, die Änderung der PartG in die PartGmbB und Fragen zu der Haftung und Versicherung.
Bei der „Aktuellen Rechtsprechung zur Besteuerung der Kraftfahrzeugnutzung und anderer Sachleistungen“ erläuterte Dr. Winfried Bergkemper, RiBFH, die neueren Urteile des Bundesfinanzhofs zu den Themen Arbeitslohn wegen privater Nutzung eines Kraftfahrzeugs (Dienstwagen), Arbeitslohn wegen Fahrergestellung, Zuwendungen für Betriebsveranstaltungen als Arbeitslohn, Arbeitslohn wegen Übernahme von Buß- und Verwarnungsgeldern (Eigenbetriebliches Interesse), Zuschüsse des Arbeitgebers zu einer freiwilligen Rentenversicherung als Arbeitslohn, Pauschalierung gemäß § 37b und § 40 Abs. 4 EStG, Arbeitslohn durch Dritte. Fazit war, dass das Institut des eigenbetrieblichen Interesses zunehmend zurückgedrängt wird.
Aufgrund der zum 01.01.2015 in Kraft tretenden Änderungen des Gesetzes zur strafbefreienden Selbstanzeige bot Dr. Peter Talaska, RA FASteuerR, Streck Mack Schwedhelm, Köln/Berlin/München, den Teilnehmern „Problemlösungen im Bereich der strafbefreienden Selbstanzeige“ an. Nach der Darstellung der Rechtsentwicklung und aktuellen Hintergründe, deren Gegenstand die laufende Verschärfung des § 371 AO durch Rechtsprechung und Gesetzgeber war, stellte Talaska die geplanten Neuregelungen vor. Zu erwarten ist die Verlängerung des Berichtigungszeitraums, die Verschärfung der Sperrgründe der Selbstanzeige, neue gesetzliche Ausnahmen zum Vollständigkeitsgebot sowie die Verteuerung der Selbstanzeige.
Sabine Unkelbach-Tomczak, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Frankfurt
Downloads:
Der Tagungsflyer zum Steueranwaltstag 2014