Orientierungssatz:
Eine, die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung, zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem "Gartenhaus" bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt.
Entscheidung:
BFH, Urteil vom 26. Oktober 2022, IX R 5/21
I. Sachverhalt
Streitig war, ob im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S. des § 23 EStG die Tatsache einer baurechtswidrigen Nutzung zu beachten ist. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 2009 ein im Außenbereich gelegenes Grundstück, dass im Flächennutzungsplan als Kleingartengelände ausgewiesen war. Auf dem Grundstück befand sich eine Gartenlaube, die eine Wohnfläche von 60 qm hat. Für diese Laube lag eine baurechtliche Genehmigung vor, die unter der Auflage stand, dass das Gebäude nicht zum dauerhaften Aufenthalt von Personen genutzt werden darf. Entgegen diese Auflage nutzte der Kläger das Gebäude von Anfang an zu eigenen Wohnzwecken. Im Jahr 2014 veräußerte der Kläger sodann das Grundstück. Er vertrat die Ansicht, dass der Veräußerungsgewinn nicht nach § 23 EStG steuerbar sei, da die Ausnahmeregelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zur Anwendung gelangt. Nach dieser Ausnahmevorschrift liegt dann kein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung das Grundstücks ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht München folgten nicht der Meinung des Klägers. Die Ausnahmevorschrift käme nicht zum Tragen, da die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken baurechtswidrig sei und deshalb nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt sei. Die eingelegte Revision hatte hingegen Erfolg.
II. Entscheidungsgründe
Der IX. Senat des BFH folgt nicht der Vorinstanz und nimmt in dem vorliegenden Sachverhalt eine Steuerbarkeit ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG an. Voraussetzung für eine solche Nutzung ist, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und von dem Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Maßgeblich für die rechtliche Bewertung ist, dass das Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ rein tatsächlich zu verstehen ist, so dass auch eine baurechtswidrige Nutzung unter den Ausnahmetatbestand zu subsumieren ist. Unter Rückgriff auf den Auslegungskanon (Interpretation eines Gesetzes nach der grammatikalischen, der systematischen, der teleologischen und der historischen Auslegung) gelangt der erkennende Senat unter Berufung auf den Sinn und Zweck, also unter Anwendung der teleologischen Auslegung zu diesem Ergebnis. Unterstützend weist er auf § 40 AO hin. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.
(Claudius Söffing)