Häusliches Arbeitszimmer und privates Veräußerungsgeschäft

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Orientierungssatz:
Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt (entgegen BMF v. 5.10.2000 – IV C 3 – S 2256 – 263/00, BStBl. I k2000, 1383, Rz. 21).

Entscheidung:
BFH, Urteil vom 01.03.2021, IX R 27/19, BStBl. II 2021

I.    Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist als Lehrerin tätig und bezog im Streitjahre aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie unterhielt ein häusliches Arbeitszimmer in Ihrer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung. Innerhalb des Zehnjahreszeitraum i.S. des § 23 Abs. 1 EStG veräußerte die Klägerin die Eigentumswohnung. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der hierbei erzielte Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht steuerbar sei, weil es zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Das vorhandene häusliche Arbeitszimmer sei insoweit unschädlich. Demgegenüber sah der Beklagte und Revisionskläger, das Finanzamt, in der Nutzung des Arbeitszimmers keine Nutzung zu Wohnzwecken und unterwarf deshalb den auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinn der Besteuerung.      
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte hingegen Erfolg. Der vom Finanzamt eingelegte Revision trat der Bundesminister der Finanzen bei und trug im Wesentlichen vor, unabhängig von der Qualifizierung des häuslichen Arbeitszimmers als selbständiges Wirtschaftsgutblieb sei es bei der Veräußerung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung nicht den eigenen Wohnzwecken zuzuordnen und würde deshalb den Veräußerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Nr.1 EStG unterfallen. Der Revision blieb jedoch der Erfolg versagt. Der erkennende IX. Senat des BFH bestätigte die Vorinstanz.  

II.    Entscheidungsgründe
Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ein privates Veräußerungsgeschäft gegeben, wenn eine Eigentumswohnung innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung veräußert wird. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Eigentumswohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahre der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Im Streitfall war mithin abzuklären, ob ein häusliches Arbeitszimmer unter das Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ zu subsumieren ist.
In einem ersten Schritt stellt der erkennende Senat klar, dass das private Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 eine Ausnahme vom Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertänderungen privater Wirtschaftsgüter darstellt. Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG niedergelegte Ausnahmeregelung stellt mithin die Wiederherstellung des Prinzips des Dualismus der Einkunftsarten dar. Aufgrund dessen ist das Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ weit auszulegen. Ausreichend ist deshalb, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutzt. Die Mitbenutzung durch Familienangehörige oder Dritte ist unschädlich. Ebenso wenig verlangt eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in zeitlicher Hinsicht eine durchgehende eigene Wohnnutzung. Ausreichen ist mithin auch eine nur zeitweilige Nutzung, wie dies z.B. bei Ferienwohnung oder Häusern der Fall ist. Das Merkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ beschreibt deshalb nach dem Verständnis des erkennenden Senats eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die gekennzeichnet wird durch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises.

Sodann legt der erkennende Senat quasi in einem zweiten Gedankenschritt dar, dass es sich bei dem Begriff des „häuslichen Arbeitszimmers“ um einen Typusbegriff handelt. D.h., der Begriff des „häusliches Arbeitszimmers“ ist im Gesetz nicht definiert und kann deshalb nicht unter ganz bestimmten, im Gesetz festgelegten Merkmalen subsummiert werden. Ein Typusbegriff wird deshalb insbesondere durch die allgemeine Lebensanschauung und die sich hieraus entwickelnde Rechtsprechung geprägt. Man beschreibt deshalb ein häusliches Arbeitszimmer als einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend zur Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. organisatorischer Arbeiten genutzt wird.

Vor diesem Hintergrund wird die Verzahnung einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und einem häuslichen Arbeitszimmer deutlich. Deshalb führt der BFH in seiner Entscheidung unter Tz. 18 aus, dass für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Arbeitszimmer schon nach dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken verbleibt.
Die vom beigetretenen Bundesminister der Finanzen aufgeworfene Frage, nach der Qualifizierung des häuslichen Arbeitszimmers als eigenständiges Wirtschaftsgut hat der BFH nicht beantwortet. Vielmehr weist er am Ende der Entscheidung darauf hin, dass im Revisionsfall diese Frage unbeantwortet bleiben kann, da die Klägerin die Eigentumswohnung einschließlich des Arbeitszimmers im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Diese Sichtweise mag im Revisionsverfahren zutreffend sein, da die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Lehrerin bezog und damit das häusliche Arbeitszimmer stets dem Bereich der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zuzuordnen ist. Ein Gebäude kann aber in ertragsteuerlicher Sicht je nach dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang in unterschiedliche Wirtschaftsgüter untereilt werden.

Bei diesen  Nutzungs- und Funktionszusammenhängen ist zu differenzieren zwischen einer eigenbetrieblichen und einer fremdbetrieblichen Nutzung sowie einer Nutzung zu eigenen und zu fremden Wohnzwecken. Deshalb stellt sich für die Praxis die Frage, wie der Fall zu lösen wäre, wenn das häusliche Arbeitszimmer in einem anderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen würde. Da der Typusbegriff des „häuslichen Arbeitszimmers“ aber gerade eine Eingebundenheit in die häusliche Sphäre erfordert, scheiden alle anderen Funktions- und Nutzungszusammenhänge aus. Ein Rechtsanwalt beispielsweise, der als Partner in einer Partnerschaftsgesellschaft tätig ist, würde sein im eigenen Haus befindliches Arbeitszimmer regelmäßig in seinem Sonderbetriebsvermögen halten. Hier wäre ein eigenständiges Wirtschaftsgut gegeben, dass nicht unter die Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fällt. Ein Rechtsanwalt der hingegen bei seiner Rechtsanwalts-GmbH angestellt ist, wird in aller Regel das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen. Hier käme die Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zur Anwendung.