Strafbefreiende Selbstanzeige soll verschärft werden oder : Schaufensterrechtspolitik an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit

Sebastian Korts, RA, FAStR, FAH&GR, MBA, M.I.Tax, Köln Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arge Steuerrecht Die Finanzminister der Länder haben sich am 27. März 2014 für die Beibehaltung der Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige ausgesprochen. Gleichzeitig wurde jedoch beschlossen, die Anforderungen an eine wirksame Selbstanzeige zu verschärfen und die finanziellen Auswirkungen/Steuernachforderungen zu erhöhen. Die Details der Neuregelung sollen bis Ende Mai 2014 vorliegen und zum 01.01.2015 wirksam werden: Künftig soll sich der Korrekturzeitraum auf 10 statt auf 5 Jahre erstrecken. Ferner soll sich der ab einem Hinterziehungsbetrag von EUR 50.000,00 zu zahlender Steuerzuschlag von 5% auf 10% erhöhen.

 
Auch ist angedacht, dass der 10%-Zuschlag bereits ab einem Hinterziehungsbetrag von EUR 5.000,-- greifen könnte. Die Verlängerung des Korrekturzeitraums auf 10 Jahre dürfte die Abgabe einer wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige erheblich erschweren, da bereits ein kleiner Fehler in der Erklärung ausreicht, um die ganze Selbstanzeige unwirksam zu machen. War es schon schwierig, die steuerlichen Versäumnisse der letzten 5 Jahre zusammen mit dem Mandanten aufzuarbeiten, so dürften die Aufarbeitung der letzten 10 Jahre alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen stellen. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers und damit die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns der Selbstanzeige würde sich mit der Verlängerung des Korrekturzeitraums signifikant erhöhen. Problematisch erscheint die Verlängerung des Korrekturzeitraums von 5 auf 10 Jahre vor dem Hintergrund, dass es sich bei § 371 AO um eine Vorschrift zum „Ausschluss“ der Strafbarkeit handelt, die Verjährung beträgt bei der Steuerhinterziehung jedoch nur 5 Jahre. Der Steuersünder muss 10 Jahre nacherklären (und nachzahlen), um für 5 Jahre Straffreiheit zu erreichen. Der Steuersünder muss also bereits strafrechtliche verjährte Hinterziehungstaten angeben, um für die nicht verjährten Taten eine Straffreiheit zu erreichen. Faktisch führt der Gesetzgeber damit die 10jährige Verjährung für Steuerhinterziehungstaten ein. Fraglich ist, ob solch eine „verdeckte“ Verlängerung der Verjährung zulässig ist, abgesehen davon, dass 10jährigen Verjährungsfristen bisher nur bei „schweren“ Delikte eingreifen. Die Neuregelung damit führt aus unserer Sicht zu einem Systembruch innerhalb der Verjährungsvorschriften. An der Erhöhung des Zuschlag von 5% auf 10% fällt auf, dass der Zuschlag damit eine starken Sanktionscharakter bekommt, den dieser Zuschlag wird zusätzlich zu dem regulären Hinterziehungszins in Höhe von 6% p.a. erhoben. Ein Zuschlag von 10% kann nicht mehr damit begründet werden, dass hiermit pauschal der erhöhte Verwaltungsaufwand abgegolten werden soll – diese Begründung ist ganz offensichtlich nur vorgeschoben. Insbesondere im politischen Raum wurde verlautbart, dass die Selbstanzeiger bisher „zu billig“ weggekommen seien. Mutiert die strafbefreiende Selbstanzeige somit zu einer „Nacherklärung mit Sanktionschrakter“? Betrachtet man die nun beschlossenen Verschärfungen (insbesondere vor dem Hintergrund der bereits April 2011 erfolgten Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige) so fragt man sich, ob der Gesetzgeber tatsächlich noch das Ziel der Abgabe einer wirksamen(!) strafbefreienden Selbstanzeige verfolgt oder ob ihm nicht eher an einem Fehlschlagen solcher Anzeigen gelegen ist - um dann mit voller Härte gegen den Steuersünder vorzugehen. § 371 AO wäre also ein Falle: Der Gesetzgeber gaukelt dem reuigen Steuersünder einen Ausweg aus seiner Misere vor, dieser Ausweg entpuppt sich aber als Falle sobald man ihn beschritten hat. Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen moralisch bedenklich ist, stellt sich die verfassungsrechtliche Frage bezüglich einer etwaigen Umgehung des „Verbots des Zwangs zur Selbstbezichtigung“: Der Gesetzgeber täuscht dem reuigen Steuersünder einen Ausweg vor, um ihn zu einer Offenbarung seiner bisher unbekannten Steuerstraftaten zu bewegen – um ihm nach der Selbstbezichtigung mitzuteilen, dass es für eine wirksame Selbstanzeige „leider nicht gereicht“ habe, aber man bedanke sich für die gelieferten Informationen und werde ihm zeitnah den Strafbefehl oder die Anklageschrift zusenden. Wem dieser Gedanke zu polemisch erscheint, der sollte bedenken, dass sich Rechtsberater und(!) Steuerfahndung schon nach im Jahr April 2011 erfolgen Änderung des § 371 AO einig waren, dass ein steuerjuristischer Laie aufgrund der hohen Anforderungen überhaupt nicht mehr in der Lage ist ohne Hilfe eines Beraters eine wirksame Selbstanzeige zu erstellen. Da es sich bei § 371 AO aber um einer strafrechtliche Vorschrift handelt, kann der Gesetzgeber nicht voraussetzen/verlangen, dass sich nur der fachlich beratene Steuersünder dieser Regelung bedienen darf. Für den steuerjuristischen Laien, der sich nicht beraten lässt, ist diese Regelung eine vom Gesetzgeber ausgelegt Mausefalle. Als Schlussbemerkung sei dann noch auf den kuriosen Umstand hingewiesen, dass gerade eine fehlgeschlagene strafbefreiende Selbstanzeige eines prominenten Fussballmanagers die Rechtspolitiker dazu veranlasst, die Voraussetzungen der Selbstanzeige noch weiter zu verschärfen.