5. Finanzgerichtstag

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Der vom Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter und dem BFH-Richterverein gegründete Deutsche Finanzgerichtstag e. V. feierte am 21.01.2008 mit der Veranstaltung des 5. Deutschen Finanzgerichtstags in Köln sein fünfjähriges Jubiläum. Thema war das „Steuerrecht im Wandel – Stand und Perspektiven der Reformdiskussion“.
Anlässlich des 5-jährigen Bestehens des Deutschen Finanzgerichtstags zog Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof und Präsident des Deutschen Finanzgerichtstags, eine Zwischenbilanz, in der er an die ersten vier deutschen Finanzgerichtstage und die dort präsentierten Themen erinnerte. Auch der 5. Deutsche Finanzgerichtstag fand wieder in Köln statt. Tagungsort dort war das Maternushaus.
Grußworte richteten Dr. Helmut Linssen, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, und Dr. h. c. Wolfgang Spindler, Präsident des Bundesfinanzhofs, an die teilnehmenden Finanzrichter, Richter des Bundesfinanzhofs, Vertreter der Finanzverwaltung, Vertreter der Wissenschaft und Angehörigen der steuer- und rechtsberatenden Berufe. Mit etwa 360 Teilnehmern war auch diese Veranstaltung so gut besucht wie in den vergangenen vier Jahren.

Über die „Gestaltung des Steuerrechts als permanente Herausforderung für den Gesetzgeber“ referierte ein Staatssekretär in Vertretung der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypris, weil diese wegen anderer terminlicher Verpflichtungen nicht erscheinen konnte.

Mit seinem Thema „Steuerpolitik 2008 – Das Ende der Illusionen?“ gab Prof. Dr. Wolfgang Schön, Leiter des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München, zu erkennen, dass hinsichtlich einer grundlegenden Vereinfachung des Steuerrechts wohl keine Illusionen mehr bestehen, doch die Hoffnung für eine maßvolle Steuergesetzgebung zur Vereinfachung der Normen noch nicht aufgegeben sei. Nach der Darstellung der steuerpolitischen Ideale und ihrem Wandel benannte er die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit als Grund des Scheiterns der jüngeren Reformkonzepte.
An Politik und Interessenverbänden übte er Kritik, zeigte jedoch im Folgenden auch die Grenzen der steuerlichen Politik in Form des höherrangigen Rechts, geprägt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des europäischen Gerichtshofs, auf.
Anschließend ging er auf die Trennung zwischen Rechtsreform und Aufkommenssteuerung ein und stellte dann acht praktische Regeln für den steuerpolitischen Fortschritt auf. Diese sind der richtige Umgang mit Idealen, eine Technik der Second-best-Lösungen, der Zwang zur Folgerichtigkeit, die Konturierung von Lenkungsnormen, die maßvolle Missbrauchsbekämpfung, der Respekt vor der Rechtsprechung, verwaltungstechnische Vollziehbarkeit und schließlich die Regel, dass im Zweifel für den Status quo zu votieren sei.
In seiner Schlussbetrachtung mahnte er, die sich in den letzten Jahren beschleunigende Gesetzgebung im Steuerrecht und die in immer kürzeren Zeitabständen aufeinanderfolgenden Gesetzesänderungen, welche allen Betroffenen keine Zeit mehr ließen, sich die neue Rechtslage anzueignen und diese vernünftig umzusetzen, wieder zu längeren Geltungsphasen des jeweils neuen Rechts zurückzukehren und die Wirkungen der jeweils neuen Bestimmungen abzuwarten, um dann erst in Kenntnis der Wirkung weitere Gesetzesänderungen im Steuerrecht durchzuführen.

In seinem anschließenden Referat über den „Anspruch auf Normenklarheit im Steuerrecht und seiner Durchsetzung im Gesetzgebungs- und Rechtsschutzverfahren“ stellte Prof. Dr. Hans Georg Ruppe, Richter am Verfassungsgerichtshof in Wien, Universität Graz, fest, dass das Prinzip der Normenklarheit als solches im Verfassungsrecht nicht normiert ist. Der Begriff „Normenklarheit“ umfasse drei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten, wenn eine Norm als klar bezeichnet werden solle. Eine Norm müsse dem Grundsatz der Bestimmtheit, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit genügen. Anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs gab er Kriterien für die Erfüllung dieser Anforderungen an.
Hinsichtlich der Bestimmtheit einzelner Begriffe oder Normen gab er zu bedenken, dass bei der Beurteilung z. T. entgegengesetzte Auffassungen vertreten werden und konkretisierte dies an Beispielen aus Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts und des österreichischen Verfassungsgerichthofs.
Hinsichtlich der Normverständlichkeit differenzierte er die Verständlichkeit einzelner Begriffe und die Verständlichkeit einer Norm im Ganzen und führte aus, dass trotz einzelner bestimmter Begriffe in einer Norm diese als solche insgesamt unverständlich sein könne. Hierzu zitierte er die Ausführungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfSlg 3130/1956) wie folgt: „Eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und geradezu archivarischer Fleiß von Nöten sind, ist keine verbindliche Norm.“ Ferner stellte der Verfassungsgerichtshof in Wien fest: „Nur mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben kann überhaupt verstanden werden, welche Anordnungen hier getroffen werden sollen.“ (VfSlg 12.420/1990) So gelangte er zu der Erkenntnis, dass Unklarheit und Widersprüchlichkeit einer Norm zu Verständnisproblemen und damit z. T. zu einer Unzumutbarkeit der Auslegung und Anwendung einer Norm führen. Derartige Normen seien nicht verständlich.
Der Aspekt der Übersichtlichkeit sei ebenfalls bei der Formulierung einer Norm zu berücksichtigen. Hierzu zitierte er einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.04.2003 zum Kindergeld, in dem das Gericht dem Gesetzgeber mangelnde Klarheit der Norm bescheinigte. Der Verfassungsgerichtshof in Wien stellte fest, dass das Budget-Begleitgesetz 2001 dem Grundsatz der Normenklarheit widersprach, weil es unübersichtlich war. Es war in der Form eines Sammelgesetzes gestaltet, das hunderte von Normen zusammenfasste und in dem einzelne geänderte Normen nur sehr schwer, mit erheblichem Zeitaufwand und nur bei einem archivarischen Studium des Gesetzestextes zu finden waren.
Prof. Dr. Ruppe räumte ein, dass die rechtliche Beurteilung dieser drei Anforderungen nur sehr schwer möglich sei, wenngleich auch diese grundsätzlich aus der Verfassung hergeleitet werden könnten. Wesentliche Grundlage sei der Grundsatz der Rechtssicherheit. Die Beantwortung der Frage, ob diese Anforderungen erfüllt würden, hinge vom Rechtsgebiet, dem Inhalt der Norm, der Art der Anwendungen, beispielsweise durch Laien oder Fachleute, und der Frage, inwieweit Leistungsverwaltung betroffen sei, ab. So kam der Verfassungsgerichtshof in Wien zu dem Schluss, dass die höchstrichterliche Auslegung einer Norm möglich und das Finden übereinstimmender Auslegungen durch die höchsten Richter möglich sein müsse. Seien die vierzehn höchsten Richter des Landes in der Lage, innerhalb von etwa einer Stunde zu einer übereinstimmenden Auslegung einer Norm zu gelangen, sei das Prinzip der Normenklarheit erfüllt. Gelänge die übereinstimmende Auslegung in dieser Zeit nicht, so handele es sich um eine „Denksport-Aufgabe“, die diesem Erfordernis nicht entspräche, weil auch bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze und Denkgesetzte keine einheitliche Lösung gefunden werden könne.

Mit den „Problemen der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland“ befasste sich Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Rechtsanwalt und Steuerberater, PricewaterhouseCoopers, Universität Hamburg, International Tax Institute.
Ausgehend von der Annahme, dass die beschränkte Steuerpflicht hinsichtlich inländischer Einkünfte für Steuerausländer grundsätzlich gerechtfertigt ist, stellte er die inländischen Anknüpfungsmerkmale und den zeitlichen Bezug der Besteuerung dar. Die Besteuerung von Steuerausländern ohne jegliche Anknüpfung an deutsche inländische Sachverhalte stellte er jedoch in Frage. Als Anknüpfungspunkte müssten zumindest eine Betriebsstätte, eine Arbeitsstelle oder beispielsweise ein Wettbewerbsverhältnis mit einem deutschen Unternehmen bestehen. Die Rechtsgrundlage für die beschränkte Steuerpflicht sei nicht in den Doppelbesteuerungsabkommen enthalten und könne auch nicht in der Feststellung erblickt werden, dass Einkünfte in dem jeweils anderen Staat unbesteuert bleiben könnten. Hinsichtlich des zeitlichen Bezuges der Besteuerung der inländischen Einkünfte von Ausländern sei § 11 EStG anwendbar. Die Bestimmungen im Bereich der beschränkten Steuerpflicht sind seiner Ansicht nach in sich nicht stimmig und schlüssig und führen zu unterschiedlichen steuerrechtlichen Regelungen für die verschiedenen Steuerpflichtigen und folglich zu diskriminierenden Ergebnissen. Stets sei wegen § 50 a EStG damit zu rechnen, dass die Bestimmungen der beschränkten Steuerpflicht als EU-rechtswidrig angesehen werden.
Derzeit bestünde auch das Problem, dass für Steuerausländer in Deutschland nur ein unzulängliches Verfahrensrecht für die Durchsetzung des materiellen Rechts besteht. Dies deutete er anhand der EuGH-Entscheidungen in den Fällen Gerritse und Scorpio an. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben seien bei der Besteuerung von Steuerausländern in Deutschland zu berücksichtigen. Diese sind persönliche Lebensumstände, persönliche und sachliche Steuerbefreiung, objektives Nettoprinzip und Steuersatz, besonderes Steuerabzugsverfahren nach § 50a EStG und Beitreibungsrichtlinie sowie die effektive Geltendmachung von Gemeinschaftsrechtsverstößen. Im Ergebnis stellte Prof. Dr. Jürgen Lüdicke fest, dass das Steuerrecht der beschränkten Steuerpflicht erhebliche systematische und praktische Mängel aufweist und diese Rechtsnormen dringend reformbedürftig sind.

Zu dem Thema „Stand und Perspektiven der Erbschaftsteuerreform“ überlegte Dr. Horst-Dieter Fumi, Vorsitzender Richter am Finanzgericht in Köln, zunächst in humorvollen Ausführungen, ob er die Erbschaftsteuerreform in der literarischen Form des Dramas präsentieren solle und wie diese Präsentation aussehen könne. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Erbschaftsteuerreform im Gegensatz zum Drama kein Ende aufweise und die Darstellung in der Form des Dramas damit nicht in Betracht komme. Außerdem freute er sich in einer launigen Bemerkung, er sei der erste Richter eines Finanzgerichts, der am Finanzgerichtstag sprechen dürfe.
Ausgehend vom Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 11.12.2007, der für das Bewertungsrecht Änderungen der Bewertung von Grundstücken und Betriebsvermögen und im Erbschaftsteuerrecht höhere Freibeträge, Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke und höhere Befreiungsbeträge für das Betriebsvermögen mit gleichzeitig längeren Zeiten der Fortführung des Unternehmens verbindet, gab er einen historischen Überblick über die Entwicklung des Bewertungs- und Erbschaftsteuerrechts hinsichtlich der Bewertungsungleichheit von Grundstücken und Betriebsvermögen einerseits und anderen Vermögenswerten andererseits.
Zunächst erinnerte er daran, dass Grundstücke und Betriebsvermögen schon zu Zeiten der Einheitsbewertung hinsichtlich der Ermittlung des steuerlichen Wertes privilegiert waren. Die Begünstigung dieser Vermögenswerte war aus sozialen Gründen gewollt. Diese unterschiedliche Behandlung führte zu der Gestaltungsform der gemischten Schenkung und der mittelbaren Grundstücksschenkung.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1995 feststellte, dass diese ungleiche Behandlung bei der Bewertung der Vermögensgegenstände gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt, erteilte es dem Gesetzgeber den Auftrag, eine „realitätsgerechte Bewertung der Vermögensarten zueinander“ zu schaffen und dabei das „persönliche Gebrauchsvermögen“ von Familien zu schützen und eine „Existenzgefährdung fürr mittelständische Unternehmen“ zu vermeiden“.
Durch das Jahressteuergesetz 1997 wurden daraufhin im Bewertungsgesetz die „Bedarfsbewertung“ eingeführt und im Erbschaftsteuergesetz die persönlichen Freibeträge erhöht sowie das Betriebsvermögen durch § 13 a Erbschaftsteuergesetz erneut privilegiert.
Im nächsten Schritt wurde gemeinsam mit den Steuerberatern das so genannte „Einlagemodell“ entwickelt, nach dem der „ertragsteuerliche Betriebsvermögensbegriff zur Begünstigung von Vermögen ohne gewerbliche Tätigkeit“ führt. Der Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge vom 25.10.2006 sah die Entlastung des Produktivvermögens und ein so genanntes Abschmelzmodell beim Erwerb des begünstigten Betriebsvermögens vor. Das „Einlagemodell“ war jedoch im Ergebnis unerwünscht und sollte abgeschafft werden. Der Entwurf des Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge wurde nicht realisiert.
Stattdessen wurde auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.2006 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 11.12.2007 erarbeitet. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 07.11.2006 im Vorlageverfahren des BFH die §§ 19, 10, 12 und 13a Erbschaftsteuergesetz wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 I GG für verfassungswidrig erklärt. Es forderte, dass „sich das Gesetz auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert orientiert“.
Den neuen Gesetzentwurf vom 11.12.2007 erläuterte Dr. Fumi anschließend im Überblick. Die Bewertung des unbebauten Grundvermögens soll im Wege des Sachwertverfahrens und die Bewertung von bebauten Grundstücken im Wege des Ertragswert- oder Sachwert- oder Vergleichswertverfahrens erfolgen. Ergänzt wird das neue Gesetz durch eine Rechtsverordnung für die Regelung der „Typisierung der Wertermittlung“. Das Betriebsvermögen von Kapitalgesellschaften soll künftig nicht mehr mittels des Stuttgarter Verfahrens sondern mittels eines Ertragswertverfahrens bewertet werden. Auch hier werden Einzelheiten durch eine Rechtsverordnung geregelt. Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften soll das Betriebsvermögen ebenfalls durch das Ertragswertverfahren bewertet werden anstelle mittels der Steuerbilanz wie bisher. Durch diese Änderungen sollen betriebswirtschaftliche Aspekte stärker als bisher berücksichtigt und die problematische Substanzwertermittlung aufgegeben werden.
Für das Erbschaftsteuerrecht soll die Erhöhung von Freibeträgen für nahe Angehörige eingeführt und die Steuersätze geändert werden. Für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke wird eine Steuerbefreiung eingeführt und ein Bewertungsabschlag in § 13 c Erbschaftsteuergesetzentwurf führt zu einem Ansatz mit nur 90 %. Steuerbefreiungn für das Betriebsvermögen sind in §§ 13 a und 13 b I des Erbschaftsteuergesetzentwurfs vorgesehen. Durch einen Verschonungsabschlag, zu dem ein Abzugsbetrag hinzu addiert wird, wird Betriebsvermögen besonders begünstigt, vorausgesetzt, das Betriebsvermögen besteht nicht zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen. Für das Verwaltungsvermögen gelten die Vergünstigungen nicht. Eingeführt werden sollen „Fortführungsgebote“, nach denen für die Dauer von 10 Jahren die durchschnittliche Lohnsumme von 70 v. H. nicht unterschritten werden darf (Lohnsummenregelung) und der Betrieb 15 Jahre lang fortgeführt werden muss (Behaltensfrist). Abzüge für Ertragsteuerbelastungen sind nicht vorgesehen. Für Nutzungsentgelte besteht ein Abzugsverbot (§ 25 Erbschaftsteuergesetzentwurf, z. B. Nießbrauch). Der genaue Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ist noch unklar. Für die Fälle des Erwerbs von Todes wegen ab dem 01.01.2007 soll ein Wahlrecht bestehen.
Der Gesetzentwurf wird hinsichtlich des Verfassungsrechts insofern für problematisch gehalten, als gegen den Parlamentsvorbehalt des Art. 80 I 2 GG verstoßen wird, wenn Erbschaftsteuerbestimmungen in Rechtsverordnungen geregelt werden und die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen fraglich ist. Bereits aus der Ermächtigung soll erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Auch das Gleichheitsgebot könnte verletzt sein, weil das Betriebsvermögen von Freiberuflern nicht in die Begünstigungen einbezogen wurde und zusätzlich bei der Veräußerung mit Einkommensteuer belastet ist, eine entlastende Berücksichtigung der Einkommensteuer nicht erfolgt und schließlich die Erbschaftsteuer faktisch auf wenige große Fälle beschränkt sein könnte. Außerdem sollen Nichten und Neffen durch die neuen Regelungen diskriminiert werden, was einen Verstoß gegen Art. 6 GG darstellen könnte.
Der Gesetzentwurf wirft zudem praktische Probleme auf, weil die Behaltensfrist für das Betriebsvermögen mit 15 Jahren als zu lang und unrealistisch angesehen wird. Auch die Einhaltung der Lohnsummengrenze von 70 % dürfte praxisfern sein.

Einen weiteren Beitrag zum Thema „Steuerrecht im Wandel“ steuerte Herr Prof. Dr. Rainer Wernsmann, Universität Passau, mit seinem Vortrag „Die Einschränkungen des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs im Zusammenhang mit Pendlerpauschale, Arbeitszimmer, Alterseinkünften und Abgeltungssteuern“ bei.
Ausgehend von der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen als Maßstab für die Erhebung der Einkommensteuer wies er auf die Befugnis des Gesetzgebers zu Typisierungen und Pauschalierungen hin. In diesem Zusammenhang sei die Abziehbarkeit von Aufwendungen bei Einkünften aus Kapitalvermögen, beim Arbeitszimmer, bei der Pendlerpauschale und der Altersvorsorge zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht habe Ausnahmetatbestände ausdrücklich zugelassen. Diese führten zu unterschiedlich hohen Besteuerungen. Der typischerweise entstehende Ausgleich von Be- und Entlastung reiche aus, wenn im Einzelfall unterschiedlich hohe Be- und Entlastungen bei der Besteuerung entstünden.
Mit Einführung der Abgeltungssteuer durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2007 wurde der Werbungskostenabzug für Einkünfte aus Kapitalvermögen gestrichen. Diese Belastung wird kompensiert durch die Anwendung eines proportionalen Tarifs mit Abgeltungswirkung, der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 25 %.
Hinsichtlich der Pendlerpauschale, welche ab dem 01.01.2007 erst ab dem 21. Entfernungskilometer für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 0,30 € für jeden Entfernungskilometer gewährt wird, bejahte er die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der aus dieser neuen Regelung folgenden Ungleichbehandlung. Allerdings ist für die Frage nach der Verfassungswidrigkeit seiner Meinung nach zwischen der Grundentscheidung als solcher und der nicht folgerichtigen Umsetzung der Grundentscheidung zu unterscheiden. Das Bundesverfassungsgericht habe offen gelassen, inwieweit Fahrtkosten Einkünfte mindernd geltend gemacht werden dürfen. Die neue Regelung der Pendlerpauschale sei gerechtfertigt, weil die Entscheidung über die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz stets auch privat mit veranlasst ist. Es bestehe somit großer Gestaltungsspielraum für die steuerliche Abziehbarkeit von Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese gemischte Veranlassung ist die Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Abziehbarkeit der Fahrtkosten. Grundsätzlich ist es seiner Meinung nach nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber Kosten für Fahrten zur Arbeit teilweise dem privaten Bereich zugeordnet hat. Hierzu verwies er auf die gesetzlichen Bestimmungen anderer EU-Länder, wo das Werkstorprinzip gelte und die Abziehbarkeit von Aufwendungen dementsprechend nicht möglich sei.
Die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer ist gänzlich entfallen. Auch hier stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Auch Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind gemischte Aufwendungen und damit stets auch privat mit veranlasst. Der Gesetzgeber dürfe seiner Ansicht nach die Zuordnung der Kosten für das häusliche Arbeitszimmer zum Privatbereich vornehmen und dementsprechend die Abziehbarkeit der Aufwendungen einschränken.
Zur Frage der Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen hält er die Zuordnung dieser Aufwendungen zu den Sonderausgaben für verfassungsgemäß, ebenso wie die Begrenzungen der Abziehbarkeit der Höhe nach.
Im Ergebnis sprach er sich für die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkungen des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs aus.

An der abschließenden Podiumsdiskussion zu dem Thema „Das Steuerrecht nach den Änderungen durch die große Koalition – quo vadis?“, welche vom Präsidenten des Finanzgerichts Münster, Prof. Dr. Torsten Ehmcke, moderiert wurde, nahmen Prof. Dr. Walter Drenseck (Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a. D.), Georg Lampen (Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler NRW), Ute Mascher (Präsidentin des Steuerberater-Verbandes Hamburg), Ministerialdirektor Florian Scheurle (Steuerabteilungsleiter im BMF) und Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Universität Passau) teil.
Anhand konkreter Fragestellungen des Moderators Prof. Dr. Ehmcke zu aktuellen Steuergesetzänderungen beurteilten die Teilnehmer die konkreten Steuergesetzänderungen durch das Unternehmensteuerreformgesetz und das Jahressteuergesetz 2008 und beschäftigten sich mit Fragen zur Rückwirkung von Steuerrechtsänderungen, Akzeptanz der Steuergesetzgebung in der Bevölkerung, Gerechtigkeit der Steuergesetzgebung. Die Abschaffung einzelner Steuerbegünstigungen, wie z. B. Abschaffung der Eigenheimzulage oder der Abzugsfähigkeit der Steuerberatungskosten für private Steuerberatung als Sonderausgaben von der Einkommensteuer, wird als erhebliche Benachteiligung empfunden. Auch die zunehmend häufigere rückwirkende Anwendung von Steuergesetzänderungen führt zu einer erheblichen Verunsicherung des Steuerpflichtigen bei der Anwendung der geltenden Steuergesetze. Auch die Beschränkung der Abziehbarkeit der Fahrtkosten für die Wege von der Wohnung zur Arbeitsstätte wird als ungerecht empfunden. Die eingeführten Vereinfachungen, wie z. B. die Abschaffung des In-Sich-Abzugs der Gewerbesteuer oder der Abgeltungssteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, werden nicht als Vereinfachungen und auch nicht als gerechte Änderungen eingestuft. Wie schon Prof. Dr. Schön in seinem Beitrag formulierte, dass einfachere Steuergesetze nicht gleichzeitig gerechtere Steuergesetze seien, war in den Beiträgen der Teilnehmer erkennbar, dass gerechtere Steuergesetze nicht durch eine schlichte Vereinfachung der Normen erreicht werden können. Komplizierte Steuergesetze werden eher akzeptiert, wenn sie gerecht sind. Das Ziel der Steuergesetzgebung, eine Konsolidierung des Haushalts zu erreichen oder Steuerumgehungsmodelle der Steuerpflichtigen zu vermeiden, erfordert nicht zwingend die Abschaffung sämtlicher Steuerbegünstigungen. Dabei wird willkürliche Steuergesetzgebung eher als ungerecht empfunden, als vereinfachende Steuergesetzgebung. So konnten die Teilnehmer sich mit der Abgeltungssteuer eher einverstanden erklären, als mit der Beschränkung der Abziehbarkeit der Fahrtkosten für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte.
Die weitere Entwicklung der Steuergesetzgebung wird letztlich auch von den Wirkungen abhängen, welche die derzeit in Kraft getretenen Normen in den nächsten Monaten zeigen werden.

Als Leiter der Veranstaltung verabschiedete Jürgen Brandt die Teilnehmer und lud sie ein, am 6. Deutschen Finanzgerichtstag am 19. Januar 2009 wieder im Tagungszentrum Maternushaus in Köln teilzunehmen. Dann werden die „Brennpunkte des Steuerrechts aus deutscher und ausländischer Sicht“ Gegenstand des Programms sein. (Informationen: www.finanzgerichtstag.de)
Die Beiträge der Referenten des 5. Deutschen Finanzgerichtstags wird der Boorberg-Verlag in einem demnächst erscheinenden Tagungsband veröffentlichen.

Sabine Unkelbach-Tomczak
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Frankfurt am Main