Steueranwaltstag gelang Punktlandung mit Themen "REITs" & "SEStEG"

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Eine thematische und zeitliche Punktlandung gelang den Organisatoren des diesjährigen Steueranwaltstags in Berlin. Wichtige anstehende Steuerrechtsänderungen waren das Thema der hochkarätig besetzten zweitägigen von rund 180 Steuerjuristen besuchten Steuerfachtagung der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht des Deutschen Anwaltvereins DAV.Hier Bilder der Veranstaltung ansehen

Am 12. Juli 2006 verabschiedete das Bundeskabinett den Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG). Die öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am fand 18. Oktober 2006 statt.
Dr. Ingo STANGL (Flick Gocke Schaumburg, Bonn) erläuterte den aktuellen Gesetzgebungsstand und die Auswirkungen des Gesetzes auf die grenzüberschreitende Sitzverlegung, Verschmelzung, sowie die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften. 
Der scheidende Vorsitzende des Arbeitgemeinschaft Steuerrecht Dr. Rolf SCHWEDHELM (Streck Mack Schwedhelm, Köln) beleuchtete die Auswirkungen des SEStEG auf nationale Umwandlungsfälle.
Das SEStEG soll, so die Begründung des Regierungsentwurfs, ein systematisch in sich geschlossenes zukunftsfähiges steuerliches Umstrukturierungsrecht schaffen, das sich auch für die künftige Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts öffnet, und gewährleisten, dass künftig europaweit die gleichen steuerlichen Grundsätze für inländische und für alle grenzüberschreitenden Umstrukturierungen von Unternehmen gelten. Der Regierungsentwurf soll steuerliche Hemmnisse für die als Folge der zunehmenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtung immer wichtiger werdende grenzüberschreitende Umstrukturierung von Unternehmen beseitigen und damit einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland darstellen. 
Allerdings sieht der Regierungsentwurf auch vielfältige steuerverschärfende Regelungen vor, die verhindern sollen, dass durch grenzüberschreitende Umstrukturierungen das deutsche Steueraufkommen gefährdet wird. Diese sind nach Auffassung der Referenten teilweise überschießend und teilweise europarechtlich problematisch. So leide der Gesetzentwurf an schwerwiegenden europarechtlichen Mängeln und Widersprüchen. Der Gesetzgeber nehme trotz der in Fachkreisen geäußerten Bedenken und einer Reihe von übertragbaren Entscheidungen des EuGH mit der beabsichtigten sofortigen Besteuerung sämtlicher stiller Reserven bei Überführung von Wirtschaftsgütern und Sitzverlegung ins Ausland erhebliche zukünftige Haushaltsrisiken in Kauf. Anderseits erschwere er auch rein inländische Verschmelzungen durch den Ausschluss des Übergangs von Verlustvorträgen, obwohl unklar sei, ob tatsächlich die Gefahr eines Verlustimports bestehe. Das SEStEG bedürfe danach noch einiger wesentlicher Korrekturen, um seine Zwecksetzung zu erfüllen. 
Friedhelm JACOB (Hengeler Mueller, Frankfurt a.M.), stellv. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im DAV, stellte den vom Kabinett am 02. November 2006 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (Real Estate Investment Trust-Gesetz – REIT-Gesetz) vor. Die Bundesregierung will börsennotierte Immobilienfonds im kommenden Jahr auch in Deutschland zulassen. Aufgrund von Vorbehalten der SPD-Fraktion sind heute bereits bestehende Wohnimmobilien (Bestandsimmobilien) als zulässiger Vermögensbestand eines REIT ausgenommen worden. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt die Einführung deutscher REITs, verlangt aber noch eine Nachbesserung bei der steuerlichen Freistellung durchgeschütteter Einkünfte des REIT, um den im Entwurf noch vorhandenen Doppelbesteuerungsgefahren zu begegnen. 
Prof. Dr. Wolfgang JOECKS, Universität Greifswald, stellte aktuelle Fragen und Probleme des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts vor mit einem Schwerpunkt auf Fragen der Steuerhinterziehung und solchen Tatbestände, die typischerweise mit Steuerhinterziehungen einhergehen. Dies betrifft etwa das Vorenthalten von Beitragsteilen zur Sozialversicherung und Untreuedelikte. Schließlich stellte er die sich auftuenden strafrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit im Inland tätigen ausländischen Kapitalgesellschaften, vor allem der Limited des englischen Rechts vor.
Zum einen ist zu beobachten, dass deutsche Strafgerichte die Steuerstraftatbestände auch über den Wortlaut hinaus immer weiter ausdehnen und sich die Landgerichte die Arbeit zu leicht machen. In jüngster Zeit hat der BGH erneut feststellen müssen, dass sich Landgerichte etwa auf die „glaubwürdigen Angaben“ des Steuerfahnders beziehen, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerstrafdelikte selbst zu ermitteln. Zum anderen würden Strafgerichte zu schnell auf Untreue erkennen und diesen Tatbestand mittlerweile schon fast als überstrapazierten Auffangtatbestand in Gesellschaftsrecht, in Schmiergeldfällen und als Mittel der Kommunalaufsicht behandeln. 

Im Hinblick auf ausländische Kapitalgesellschaften sind gerade im Bereich der Insolvenzdelikte erhebliche Strafbarkeitslücken zu befürchten, die wegen des verfassungsrechtlichen Analogieverbots im Strafrecht durch eine entsprechende Heranziehung der Insolvenzverschleppungstatbestände aus GmbHG, AktG und HGB nicht geschlossen werden kann. JOECKS fordert vielmehr die einheitliche Zusammenfassung der Insolvenzdelikte in der Insolvenzordnung. 
Prof. Dr. Thorsten EHMCKE, Universität Münster, widmete sich § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG und dem damit beabsichtigten Ende der Verlustzuweisungsmodelle. Nach dieser schwer zu greifenden Vorschrift liegt ein schädliches Steuerstundungsmodell vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Die Anwendung der Vorschrift bringt aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe im Tatbestand eine erhebliche Unsicherheit mit sich, die es Fondsauflegern und bspw. auch Initiatoren von Bauherrenmodellen kaum noch möglich macht, sicher die steuerlichen Folgen ihrer Tätigkeit abzuschätzen.
Unmittelbar vor der Tagung beschloss das Bundeskabinett am 25.Oktober 2006 im Vorgriff auf die seit 2002 erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Erleichterung der Unternehmensnachfolge (Erbschaftsteuerreform). Diesen Entwurf sowie den am 27.10.2006 den Finanzausschuss verwiesenen Entwurf des Jahressteuergesetzes 2007 vom 25.09.2006 mit seinen Änderungen des Bewertungsgesetzes (Änderung der Immobilienbewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke) machte Prof. Dr. Roman SEER, Ruhr-Universität Bochum, zum Gegenstand seiner umfassenden Kritik und brandmarkte den Entwurf als „Igitt-Recht“.
Neben einer Vielzahl handwerklicher Schwächen, Begriffsverwirrungen und Begründungsmängel des Gesetzentwurfs, lehnte SEER auch im Interesse der betroffenen Unternehmen den Entwurf ab. Zwar scheine das Gesetz mit der in Aussicht gestellten Freistellung begünstigten Betriebsvermögens von der Erbschaft- und Schenkungsteuer den Unternehmen entgegenzukommen; tatsächlich berge der Gesetzentwurf allerdings massive Gefahren und in vielen Fällen deutliche Steuererhöhungen in sich. Den bislang zu vernehmenden Beifall der Verbände könne er nach Lektüre des Gesetzestextes nicht nachvollziehen. 

So führe die auch regelungstechnisch missglückte Vorschrift des § 28 zu einer völlig unpraktikablen zehnjährigen Fortführungsverpflichtung mit der Folge einer späteren vollständigen Nachversteuerung. Kein Unternehmer könnte aber über 10 Jahre garantieren, dass der ererbte Betrieb „insbesondere nach dem Umsatz, dem Auftragsvolumen, dem Betriebsvermögen und der Anzahl der Arbeitnehmer“ vergleichbar bleibt. Denn die Ursachen für bspw. einen steuerschädlichen Verlusteinbruch sollen unerheblich sein. Das bedeutete aber auch, dass eine spätere Insolvenz des Betriebs zur vollständigen Nachversteuerung führt – eine aus der Sicht der Arbeitsgemeinschaft unhaltbare Rechtsfolge.
Ferner ist das Zusammenspiel der vollständig schädlichen Veränderung von der nur partiell zur Nachversteuerung führenden Veräußerung von ererbten Vermögensteilen unverständlich und bedarf der dringen Nachbesserung um parlamentarischen Verfahren. Dasselbe gilt für die aus Sicht SEERs und der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht missglückte und zu kurz gedachte Unterscheidung von begünstigtem und unbegünstigten Betriebsvermögen in § 28a des Entwurfs. 
Der Gesetzgeber habe ursprünglich Gestaltungsmissbräuche vor Augen gehabt, dann aber eine so weite Regelung gefasst, die eine unübersehbare Vielzahl von Unternehmen ungerechtfertigt beungünstigt und sicher zu erheblichen Steuererhöhungen führen wird. Nicht zuletzt dürften einige Regelungen erkennbar europarechtswidrig sein, was der Gesetzgeber offenbar billigend in Kauf nimmt.
SEER stellte aufgrund neuerer Untersuchungen die vom Gesetzgeber vorgegebenen Prämissen zur Gesetzesänderung und vor allem die behauptete Gefährdung der Unternehmen durch Erbschaftsteuern in Frage. Er forderte, die Reform grundlegend zu überdenken und stattdessen die Tarife allgemein deutlich auf Steuersätze zwischen 5 und 20 % abzusenken. Sodann sollte die unrealistische Bewertung von Immobilien und Betriebsvermögen entfallen und das Vermögen rechtsformneutral auf breiter Bemessungsgrundlage und nur mit persönlichen Freibeträgen besteuert werden. Steuerausfälle wären dadurch nicht zu erwarten, das System wäre aber gerechter, rechtsformneutral und deutlich vereinfacht. Der jetzige Entwurf provoziere geradezu steuerplanerische Umgehungsgestaltungen. SEER mahnte ferner an, zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten und die Neuregelung dann noch einmal zu überdenken. 
Frau Prof. Dr. Johanna HEY, Direktorin des Instituts für Steuerrecht, Universität zu Köln, stellte das von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Koalitionsparteien am 02.11.2006 verabschiedete Konzept für eine umfassende Reform der Unternehmenssteuern in Deutschland (Unternehmensteuerreform 2008) vor.
Nach einer Analyse der effektiven Steuerbelastungen europäischer Kapitalgesellschaft begrüßte HEY die geplante Senkung der Steuerlast aus Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer für Kapitalgesellschaften in Deutschland von heute rund 39 % auf unter 30 %. Dennoch handele es sich aus ihrer Sicht um keine wirkliche Reform, weil die Vorteile in Höhe von € 30 Mrd. durch die zugleich mitbeschlossene Gegenfinanzierung durch gewinnunabhängige Elemente der Bemessungsgrundlage bis auf € 5 Mrd. wieder aufgezehrt würden.
So sieht der Gesetzentwurf ein bedenkliches Abzugsverbot für Schuldzinsen in Form einer modifizierten Zinsschranke vor. Dies führe letztlich bei den betroffenen Unternehmen zu einer Besteuerung des Aufwands aus Zinsen, Zinsanteil in Leasingraten, Lizenzgebühren und Pachten und damit letztlich zu einer Besteuerung der Unternehmenssubstanz. Zwar sehe der Entwurf eine Freigrenze von € 1 Mio. vor sowie eine so genannte Fluchtklausel („Escape-Klausel“), die es Unternehmen ermöglichen soll, nachzuweisen, dass ihre Finanzierung nicht vorrangig der Steuerverlagerung ins Ausland dienen soll. Eine solche Fluchtklausel fehlt aber in der Gewerbesteuer. Die beabsichtigte Beschränkung des Abzugsverbots auf 25 % des Aufwands und die Senkung des Gewerbesteuermesszahl auf 3,5% beseitige die Bedenken nicht. Denn schließlich werde zugleich auch der Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausagen wegfallen. Es sei vielmehr zu befürchten, dass die beschlossene Besteuerung des Aufwands viele Unternehmen trifft, die es nicht verkraften können. Außerdem sei das Regelungswerk ungenau, kompliziert und trage mit Sicherheit nicht zur Vereinfachung des Steuerrechts bei. 
Der Kritik des Steueranwaltstags stellte sich dann Staatssekretär Dr. Axel NAWRATH (Bundesministerium der Finanzen), der auch einräumte, mit den Entwürfen keine Steuervereinfachung zu erreichen. Er verwies auf die besondere Schwierigkeit, innerhalb der widerstreitenden Interessen auf politischer Ebene tragfähige Kompromisse zu finden. Auch die geäußerte Kritik wegen der festgestellten handwerklichen Mängel sowie der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken wies NAWRATH zurück. Es handele sich bislang nur um Entwürfe, die im parlamentarischen Verfahren mit Sicherheit noch Änderungen unterlägen. Notfalls müsste der Feinschliff durch klarstellendes Schreiben des BMF nachgeholt werden.
Er erläuterte die beabsichtigte Möglichkeit, zukünftig auch die Gewinneinkünfte von Personenunternehmen einschließlich Freiberuflergesellschaften nach einem so genannten Rücklagenmodell zu versteuern. Dabei würden nicht ausgeschüttete, so genannte thesaurierte Gewinne ähnlich wie bei Kapitalgesellschaften nur ermäßigt besteuert.
Das beschränkte Zinsabzugsverbot für Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer rechtfertige NAWRATH als Ausgleich für die geplante Abschaffung der komplizierten Regelung über die Gesellschafterfremdfinanzierung des § 8 a KStG. Im Verhältnis zum heutigen gewerbesteuerlichen Abzugsverbot sei die Ausweitung wegen der gleichzeitigen Absenkung des Satzes auf 25 % für Unternehmen letztlich belastungsneutral. 
Forderungen des Steueranwaltstages
Gerichtet an den durch Herrn NAWRATH vertretenen Gesetzgeber appelliert der Steueranwaltstag, umfassende Nachbesserungen an den Gesetzesentwürfen, insbesondere der Erbschaftsteuerreform, vorzunehmen. Sollte die Bundesregierung wie geplant das Zinsabzugsverbot mit Zinsschranke einführen, so regt der Steueranwaltstag an, das amerikanische Modell in Betracht zu ziehen, wonach nicht zum Abzug zugelassener Aufwand nicht endgültig verloren geht, sondern für zukünftige Besteuerungszeiträume vorgetragen werden kann. Und nicht zuletzt forderte der aus Praktikern zusammengesetzte Steueranwaltstag die Schaffung handwerklich deutlich verbesserter Gesetze, da die vorliegenden Entwürfe wegen der vielfältigen Begriffsverwirrungen, unklaren Regelungsinhalte und einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe kaum verständlich und letztlich nicht praktikabel sind. 
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas JAHN, Meyer-Köring v. Danwitz Privat – Bonn – 2006, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im DAV