Gewinnvorabmodell führt zum Veräußerungsentgelt

Orientierungssatz:
Dem Neugesellschafter sind trotz des Verzichts Gewinne in Höhe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels zuzurechnen, da die Zuweisung höherer Gewinnanteile an den Altgesellschafter der unmittelbaren Zahlung der Entgelte außerhalb des Gesellschaftsvermögens gleichsteht.
Entscheidung:
BFH, Urteil vom 27.10.2015 – VIII R 47/12

I.    Sachverhalt
Die vorliegende Entscheidung des BFH hat für die Anwaltschaft große Bedeutung. Der BFH äußert sich dazu, wie der im Rahmen des Beitritts eines Gesellschafters vereinbarte Gewinnverzicht steuerrechtlich zu behandeln ist.
Der J betrieb eine Einzelpraxis. In der Folgezeit nahm er Kollegen in seine Praxis auf. Die streitgegenständliche Gemeinschaftspraxis führte man in der Rechtsform einer GbR. Durch Ergänzungsverträge traten nacheinander die Gesellschafter S, R und E in die GbR ein. Die Beteiligungsquote lautete schlussendlich wie folgt: J 10 %, S; R und E zu jeweils 30 %. In den Ergänzungsverträgen hatten die Gesellschafter jedoch abweichend von der vermögensmäßigen Beteiligungsquote jeweils vereinbart, dass 15 % des Gewinns von S, R und E dem J zustehen sollte, wobei die Gesellschafter die Möglichkeit hatten, die 15 % auf 22,5 % zu erhöhen. Dieser zusätzliche Gewinn sollte an J solange ausgezahlt werden, bis die in den Ergänzungsverträgen vereinbarten Höchstbeträge erreicht wurden. Die zusätzliche Gewinnbeteiligung des J sollte unabhängig von Dauer und Bestand des Gesellschaftsverhältnisses sein. Für die Streitjahre 1993 bis 1995 erklärte die Gemeinschaftspraxis in der Feststellungserklärung eine Gewinnverteilung entsprechend der vertraglich vereinbarten Quotenverteilung, also 70 % für J und jeweils 10 % für S, R und E.
1996 verstarb J. Mit seinem Ableben schied er aus der GbR aus. Nach einer Außenprüfung änderte das Finanzamt (FA) die gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide der Streitjahre. Die Klägerinnen machten mit Einspruch und Klage ohne Erfolg geltend, dass es sich bei den dem J zugerechneten erhöhten Gewinnbeträgen nicht um laufenden Gewinn handele, sondern um Kaufpreisraten, die die Mitgesellschafter S, R und E zur Tilgung ihrer Verpflichtungen für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen (Mitunternehmeranteilen) erbracht hätten. Der BFH gab den Klägerinnen Recht und lehnte damit im Entscheidungsfall das sog. Gewinnvorabmodell ab.

II.    Entscheidungsgründe
Bei den in den Ergänzungs- und Änderungsverträgen getroffenen Vereinbarungen handelt es sich um eine Veräußerung von Teilmitunternehmeranteilen des J an die beitretenden Gesellschafter S, R und E gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Der BFH nimmt bei gewinnabhängigen Kaufpreisforderungen ein Veräußerungsentgelt gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG an und folgt somit nicht der herrschenden Literatur, die die Einordnung der Zu- und Abrechnungen von Gewinnanteilen bei übertragenen Gesellschaftsanteilen als laufende Erträge qualifiziert. Der BFH sieht in der zusätzlichen Zahlung von Gewinnanteilen eine Gegenleistung für die Übertragung von Anteilen an der Gesellschaft an, also für die Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils, und gelangt so zu der Annahme eines Veräußerungsentgelts.
Ein Veräußerungsentgelt i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG und damit gleichfalls ein Veräußerungsvorgang ist nach der Entscheidung des BFH auch dann gegeben, wenn das Veräußerungsentgelt sich als eine ausschließlich oder teilweise gewinnabhängige Kaufpreisforderung, die auf einer Abtretung von künftigen Gewinnanteilen aus dem Gewinnbezugsrecht des Erwerbers eines Mitunternehmeranteils beruht und dem Grund und der Höhe nach ungewiss ist. Bei gewinnabhängigen Kaufpreisforderungen handelt es sich um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche i.S. des § 158 Abs. 1 BGB, da im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob und wann noch feststeht in welcher Höhe der Kaufpreisanspruch einmal bestehen wird. Auch wenn im Zeitpunkt der Anteilsübertragung des Kaufpreises in seiner konkreten Höhe aufgrund der Gewinnabhängigkeit noch nicht beziffert werden kann, führt diese Unbestimmtheit nicht zur Verneinung eines Veräußerungsvorganges, sondern nur zur aufschiebenden Bedingtheit der Kaufpreisansprüche.

Die vorliegende Entscheidung des BFH setzt sich nicht nur mit der Frage auseinander, ob ein Veräußerungsvorgang vorliegt, sondern auch mit der Frage, wann der Veräußerungsgewinn aus diesem Vorgang realisiert wird, d.h., wann hat der Veräußerer den Veräußerungsgewinn zu versteuern und wann kann der Erwerber aus dem entsprechenden Erwerbsvorgang die steuerlichen Konsequenzen ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gilt: Wird ein Mitunternehmeranteil oder ein Anteil an einem Mitunternehmeranteil (Teilmitunternehmeranteil) nicht zu einem fixen Kaufpreis veräußert, sondern werden ausschließlich gewinn- oder umsatzabhängige Komponenten bei der Kaufpreisermittlung herangezogen, ist das den Buchwert und die Veräußerungskosten übersteigende Entgelt als laufende nachträgliche Betriebseinnahme beim Veräußerer zu erfassen. Der Veräußerer hat erst im Zeitpunkt des Zuflusses die steuerlichen Konsequenzen zu ziehen. Korrespondierend dazu kann der Erwerber erst im Zeitpunkt des Abflusses bei sich die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen ziehen.
Für den jeweils konkreten Fall bedeutet dies: Der eintretende Gesellschafter muss seinen vollen jährlichen Gewinnanspruch versteuern. Der Altgesellschafter erhält zwar nach der Vereinbarung entsprechend dem vereinbarten Gewinnverzicht vom eintretenden Gesellschafter eine Zahlung, diese aber nicht als Gewinnanteil, sondern als Veräußerungsentgelt. Diese Konstellation kann beim eintretenden Gesellschafter zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen. Er muss nämlich den vollen an den Altgesellschafter zu zahlenden Betrag zuvor versteuern. Dieses Problem kann zwar dann etwas gemindert werden, wenn der eintretende Gesellschafter abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter erwirbt. In Zukunft müssen aber Beitrittsvereinbarungen unter verschärfter steuerlicher Beobachtung gestellt werden.