Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Freiberuflersozietät gegen Übertragung eines Teilbetriebs und Gewährung einer Rente – Realteilung –

Orientierungssatz:
Scheidet ein Mitunternehmer unter Übernahme eines Teilbetriebs aus der Mitunternehmerschaft aus und die Mitunternehmerschaft wird von den verbliebenen Mitunternehmern fortgesetzt, kann darin eine Realteilung gesehen werden.

Entscheidung:
BFH, Urteil vom 17.09.2015 – III R 49/13

 

I.    Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin und der Revisionsbeklagte anlässlich ihres Ausscheidens aus in einer Form einer Personengesellschaft betriebenen Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltssozietät einen Gewinn zu versteuern hat. Der BFH nutzte diesen Revisionsfall, um die steuerliche Realteilung zu überdenken und neu zu definieren.
An der Sozietät, welche eine Hauptniederlassung und eine Zweigniederlassung unterhielt, waren mehrere Gesellschafter beteiligt, wobei auf die Klägerin 20 % entfielen. Im Dezember 2006 schied die Klägerin aufgrund des Auseinandersetzungsvertrags aus. In dem Vertrag vereinbarten die Gesellschafter, dass der Klägerin die Zweigniederlassung übergeben wird und durch die übrigen Gesellschafter die Hauptniederlassung weitergeführt wird. Ferner wurde im § 15 des Vertrags eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass ab dem 3.1.2006 der Klägerin von der Sozietät eine monatliche Rente von € 5.000 bis Mai 2016 zu zahlen ist. Für die Rentenverpflichtung haften alle Gesellschafter auch persönlich.
In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2006 erklärte die Sozietät einen Gesamtgewinn der Gesellschaft von rund € 2,3 Mio. Hiervon entfielen auf die Klägerin ein laufender Gewinn i.H.v. € 850 und ein Veräußerungsgewinn i.H.v. € 623.620. In Höhe des Veräußerungsgewinns wurden bei den verbliebenen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligungen Verluste abgezogen.

Das Finanzamt (FA) gelangte aufgrund einer Außenprüfung bei der Sozietät für die Jahre 2002 bis 2006 zu der Ansicht, dass der erklärte Veräußerungsgewinn laufender Gewinn in der Form eines Übergangsgewinns sei. Der Gewinn aus dem Übergang von der Einnahmenüberschussrechnung zur Bilanzierung sei von der Klägerin zusätzlich zu versteuern und bei den verbliebenen Gesellschaftern als Aufwand zu berücksichtigen.

Das FA erließ einen geänderten Feststellungsbescheid, in dem es der Klägerin einen Anteil von € 624.470 (= € 850 plus € 623.620) an den Einkünften aus selbständiger Arbeit zurechnete. Die Klägerin begehrte hingegen, den auf sie entfallenden Gewinn auf € 850 herabzusetzen. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des FA hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

II.    Entscheidungsgründe
Der BFH hält die Revision des FA für zulässig und begründet und hob die Vorentscheidung auf. Der erkennende Senat wies jedoch die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Der BFH macht in dieser Entscheidung deutlich, dass er einer erfolgsneutralen Realteilung einer Personengesellschaft nicht mehr von der Auflösung der Mitunternehmerschaft abhängig macht. Damit kehrt er seiner bisherigen Rechtsprechung den Rücken, mit der er eine restriktive Auslegung verfolgte.

Der BFH sieht den Begriff der Realteilung i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG als erfüllt an, wenn ein Mitunternehmer aus einer von den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft, unter Mitnahme eines weiterhin zum Betriebsvermögens des Ausscheidenden gehörenden Teilbetriebs, ausscheidet. Entgegen der früheren Rechtsprechung, wonach für eine Realteilung die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt, erforderlich war, verlangt der BFH nunmehr nicht mehr die Aufgabe der Mitunternehmerschaft in Gänze. Er negiert damit bei der Definition des Begriffs der Realteilung die Bindung an das Zivilrecht. Die Realteilung im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ist ein steuerrechtlicher Begriff, da § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG auf die Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft Bezug nimmt. Dies setze einen Sachverhalt voraus, der sich grundsätzlich auf den Gewinn der Mitunternehmerschaft auswirkt, was wiederum nicht die vollständige Auflösung der Mitunternehmerschaft voraussetzt. Denn auch der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn des aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidenden Mitunternehmers ist Teil des Gewinns der Mitunternehmerschaft. Auch stellt sich die Realteilung als ein Sonderfall der Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG dar. Diese wiederum erfasst  auch die vollständige Aufgabe eines Mitunternehmeranteils, also nur einen Teil der gesamten Mitunternehmerschaft. Ferner stützt sich der BFH auf den Telos der Realteilung. Dieser soll die wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung steuerlich nicht belasten, solange die steuerliche Erfassung der stillen Reserven sichergestellt ist.

Auch stellt die Zuordnung erheblicher liquider Mittel anlässlich des Ausscheides der Klägerin, kein Veräußerungsgewinn dar. Geld und Forderungen können als Teil des (ungeteilten) Betriebsvermögens wie andere materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter im Zuge einer Realteilung den Gesellschafter frei zugeordnet werden.

Unabhängig von der vorstehend beschriebenen und zu begrüßenden Rechtsprechungsänderung gelangte der BFH im Entscheidungsfall zu einem Veräußerungsgewinn, weil die Sozietät neben der Zweigniederlassung eine Rente zugesagt hatte, die mangels Versorgungsbedürftigkeit der Klägern, nicht als betriebliche Versorgungsrente, sondern als Veräußerungsrente anzusehen war.