10. Deutscher Finanzgerichtstag

Bericht von RA Sebastian Korts, FAStR, FAHuGR, MBA, M.I.Tax, Köln
Am 21. Januar 2013 fand in Köln der „10. Deutsche Finanzgerichtstag“ statt. Herr Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof, eröffnete die Versammlung in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages. Ihm oblag die Begrüßung der Teilnehmer, deren Kreis sich aus Vertretern von Bundestag und Landtag, vom Bundesverfassungsgericht und Bundesfinanzhof und wohl aller wichtigen Vereinigungen von Steuerrechtlern zusammensetzte. Das diesjährige Generalthema des Deutschen Finanzgerichtstags lautete: „Zehn Jahre Deutscher Finanzgerichtstag - für ein besseres Steuerrecht„. Herr Richter am BFH Jürgen Brandt legte dar, wie sich die Vorträge des Tages mit den aktuellen verfassungs- und europarechtlichen sowie ökonomischen Rahmenbedingungen befassen werden.

„Die europäische Finanzkrise ist noch nicht vorüber“
Anschließend begrüßte Frau Dr. Birgit Grundmann, Staatssekretärin, im Bundesministerium der Justiz die Tagungsgäste. Sie führte aus, dass die Vorträge des Finanzgerichtstages stets gute Impulse für die Exekutive liefern würden. Aus ihrer persönlichen Arbeit berichtend führte sie aus, dass sie im Lenkungsausschuss Deutschlandfonds als Vertreterin des BMJ tätig gewesen sei. „Die europäische Finanzkrise ist noch nicht vorüber“ war eine ihrer Aussagen. Sie berichtete weiter über die Bestrebungen der Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene.
Herr Thomas Kutschaty, Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, begrüßte die Teilnehmer mit dem Hinweis auf seine traditionelle Anwesenheit bei dem Finanzgerichtstag. Er versicherte den Teilnehmern, dass die Finanzgerichtsbarkeit als eigenständige Gerichtsbarkeit bestehen bleiben soll.
Flat Rate bei Sofortzahlung der Erbschaftsteuer
Ferner hieß Herr Professor Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs; die Teilnehmer willkommen. Er betonte die Wichtigkeit des internationalen Steuerrechts, denn in Deutschland bestünden bereits rund 65.000 Gesellschaften, die aufgrund ihrer Auslandstöchter intensiv mit diesem Rechtsgebiet in Berührung kämen.
Herr Hermann-Ulrich Viskorf, Vizepräsident des Bundesfinanzhofs, stellte in dem ersten Vortrag des Tages spezielle Aspekte des Vorlagebeschluss des BFH vom 27.9.2012 –II R 9/11 dem interessierten Zuhörerkreis vor. Unter Darstellung inwieweit Betriebsvermögen oder sonstiges Vermögen in den verschiedenen Jahren vor 1993 und nach 1996 zu besteuernde Anteile am Erbvermögen erreichten, schilderte er die fast unbeschränkte Möglichkeit, jedwedes beliebige Vermögen erbschaftsteuerlich zu Betriebsvermögen zu machen. Sein Vortrag endete mit einem Reformvorschlag für ein neues Erbschaftsteuerrecht. Nach einem steuerklassenbezogenen Freibetrag (€ 100.000,00 bei St.-Kl.1) sollte eine „Flat Rate“ von 10% bei Sofortzahlung die Erbschaftsteuer abdecken.
Herr Christian Arendt, Vizepräsident des Bundesrechnungshofs, referierte über den Steuervollzug und Prüfung der Steuereinnahmen. Er erläuterte neue softwarebasierten Risikomanagementsystemen und die zeitliche Prüfungssituation in den Finanzämtern. Seinen Vortragsunterlagen hatte er quasi in „eigener Sache“ die Bundestagsdrucksache Nr. 17/8429 vom 17.01.2012 (Bericht des Bundesrechnungshofs über den Vollzug der Steuergesetze) beigefügt. Aus dieser ergibt sich die dringende Notwendigkeit der Verbesserung des Steuervollzugs.
„Gierige“ Banker und „verantwortungsloser“ Staat
Herr Professor Dr. Dr. Di Fabio von der Universität Bonn referiert über die europäische Rettungschirmpolitik und die dadurch entstehenden Rückgriffe auf/in den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. zeigte er die Grenzen auf, die das Verfassungsgericht der Refinanzierung des Bundeshaushaltes über Steuererhöhungen von bestehenden Steuern, der Neueinführung einer Vermögensteuer und einer Finanz Transaktionssteuer setzen würde. Als Teil seines Vortrages versuchte er die Frage des Verschuldens der Bankkrise zwischen den „gierigen“ Bankern und einem „verantwortungslosen“ Staat zu verteilen. Ob die Grenze der Belastung der Bürger bei dem von ihm zitierten Halbteilungsgrundsatz stehen bleiben muss, ließ er am Ende offen.
Herr Professor Dr. Clemens Fuest, von der Said Business School der Universität Oxford unterrichtete das Auditorium über die ökonomischen Perspektiven der Steuer- und Wirtschaftspolitik in der Europäischen Finanzkrise. Deutlich zeigte er auf, dass das Ziel einer gesundenden Wirtschaft im diametralen Gegensatz zu dem gesundenden Haushalt eines Landes stehen kann. Ebenso deutlich zeigte er auf, dass wichtige zukunftsgerichteten Schätzungen und Statistiken, die von hochseriösen Marktteilnehmern als Planungsvorlage für zukünftige Wirtschaftspolitik ernst genommen werden, sich innerhalb von kürzester Zeit vollkommen wenden können. Zukunftsprognosen seien eben oft erhoffte Planungen, war sein Resümee. Das 2013 oder 2014 eine sichere Wende in der ökonomischen Perspektive zu erwarten sei, könne gegenwärtig selbst positiven Prognosen nicht entnommen werden.
Über die Zukunft der Gewerbesteuer
In der Pressekonferenz, die in der Mittagspause stattfand, konnten interessierte Teilnehmer von Herrn RiBFH Brandt erfahren, dass es nach dem Scheitern des Jahressteuergesetzes 2013 wohl Bestrebungen gebe, die Regelungen zur Eliminierung der „Cash GmbH“ im Erbschaftsteuerrecht und einige weitere unstrittige Bestrebungen in einem neuen Gesetz politisch auf den Weg zu bringen.
Auf die konkrete Frage von Journalisten zur europäischen Steuerpolitik wies er auf den Umstand hin, dass man politisch wohl erkannt habe, dass die „Bail Out Klausel“ wegen der Finanzierung der EZB gebrochen sei - eine solche Vertragswidrigkeit werde aber wohl wegen der Krise hingenommen. Eine eigene Meinung verknüpfte er mit dieser Aussage nicht.
Herr Dr. h.c. Mellinghoff wies in der Pressekonferenz daraufhin, dass man in Zukunft wohl nicht umhin komme, sich Gedanken zu machen, ob ein Steuergesetz in der Datenverarbeitung abgebildet werden können – denn es gebe mittlerweile Gesetze, die seien so kompliziert, dass man für diese nicht einmal Computerprogramme schreiben könne. Um eine allgemeine Vollzugsfähigkeit der Finanzgesetze jedoch sicherzustellen müsse in der Gesetzgebung mehr von Pauschalierungen und Typisierungen Gebrauch gemacht werden. Angesprochen auf das die Zukunft der Gewerbesteuer, führte er aus, dass er nicht glaube, dass diese abgeschafft werden könne. Unternehmen finanzierten nun einmal die Kommunen über die Gewerbesteuer. Solange das Steuerrecht nicht insgesamt verändert werden solle, sei es müßig über die Abschaffung der Gewerbesteuer zu diskutieren.
Herr Dr. Dr. Di Fabio wurde in der Pressekonferenz noch einmal auf die konkreten Möglichkeiten der Schaffung von Steuersubstrat angesprochen. Er wies auf die Möglichkeit hin, den ermäßigten Umsatzsteuersatz zum Teil abzuschaffen; gleichzeitig wies er auf verfassungsrechtliche Fragestellungen hin, wenn über diesen Weg beispielsweise die Belastung von Familien (Babynahrung) überproportional steigen würde. Er wies auch darauf hin, dass die verfassungsrechtlichen Grenzen des Artikels 14 Grundgesetz, aus dem sich der Halbteilungsgrundsatz ableitete, auch unter dem Gesichtspunkt der Kumulation von den direkten und indirekten Steuern gesehen werden solle. Als neue Einnahmequelle nannte er die Brennelementesteuer, die Kerosinsteuer und die mögliche Finanztransaktionsteuer.
Nach der Mittagspause setzte Herr Professor Dr. Michael Lang, Wirtschaftsuniversität Wien, den Finanzgerichtstag mit seinem Vortrag über „Folgen der europäischen (Fiskal packt-) Vereinbarungen über Verschuldensbremsen in den Mitgliedstaaten für die nationale Steuerrechtsgestaltung“ fort. Die Staatshaushalte könnten zur Bewältigung der Krise Steuererhöhungen oder Ausgabereduktionen vorsehen. Er wies auf die „Stabilitätsabgabe“ in Österreich hin und stellte ebenfalls eine Finanztransaktionssteuer, die Umsatzsteuer und die Reichensteuern als Möglichkeiten der Erschließung neuer Steuerquellen vor. Zur Erschließung von Steuerlücken wies er auf die Empfehlung der EU-Kommission vom 06.12.2012 hin.
Stand und Perspektiven der Steuerrechtsentwicklung
Herr Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof, referierte zum Thema „Jahressteuergesetz 2013 - Stand und Perspektiven der Steuerrechtsentwicklung“. Das Gesetz sei gescheitert wegen der fehlenden Einigung über steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit Ehegatten beim Ehegattensplitting. Unstreitige Teile sollen nun aber bis zur Jahresmitte 2013 verabschiedet werde. Im Einkommensteuergesetz seien das die Steuerfreiheit von Bezügen im freiwilligen Wehrdienst, den steuerlichen Förderung von Elektro- und Hybridfahrzeugen und anderen Einzelpositionen. Das EU Amtshilfegesetz soll in Umsetzung der EU Richtlinie verabschiedet werden und in der Abgabenordnung ergeben sich formale Änderungen. Herr Brandt wies auf den Beschluss des Bundestages vom 17.01.2013 hin, wo auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses im Rahmen des Unternehmenssteuervereinfachungsgesetz Reformen beschlossen wurden. Im Rahmen der Erläuterungen des Unternehmensteuerreformgesetzes wurde auf die Vereinfachung des Reisekostenrechts hingewiesen. Im Gesetz zur Abbau der kalten Progression wurde auf die Erhöhung des Grundfreibetrags hingewirkt. Die Besteuerung von Streubesitzdividenden wird auf Grundlage von EuGH-Urteilen neu geregelt. Bei den „offenen Baustellen in der Steuergesetzgebung“ fehlte nicht der Hinweis auf dieses gescheiterte Gesetz mit der Schweiz.
Herr Dr. Nils Trossen, Richter am Finanzgericht Düsseldorf, trug zum Thema „Der Spielraum des Gesetzgebers und das objektive Nettoprinzip“ vor. Nach Darstellung der verfassungsrechtlichen Herleitung kam er auf den Spielraum des Gesetzgebers bei der Durchbrechung des vorgenannten Prinzips zu sprechen. Frau Prof. Dr. Claudia Neugebauer, Bergische Universität Wuppertal, schloss die Veranstaltung mit ihrer Darstellung der „Entwicklung des Umsatzsteuerrecht“. Die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in Abhängigkeit von dem bisher ungeklärten Begriff „Standardspeise“ war ebenso das Thema wie die Besteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei hoheitlichen Tätigkeiten.
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