Reform des Reisekostenrechts: Steuerberater sehen "Unschärfen"

Der Deutsche Steuerberaterverband hat die Möglichkeit zur Stellungnahme in Bezug auf die Reform des steuerlichen Reisekostenrechts genutzt, Es wurde mit Datum vom 1. August 2014 ausführlich  die Steuerberater-Sicht zusammen gefasst und an das Bundesministerium der Finanzen adressiert. Es geht insbesondere  um die in einem BMF-Schreiben formulierten Gesetzesänderungen, die die Reform mit sich bringt und die Auswirklungen auf die Gewinnermittlung haben. Die Unterzeichner stellen einige "Unschärfen" fest, z.B. bei den Möglichkeiten zur Bestimmung der ersten Betriebsstätte durch den Gewinnermittler.

Vorbemerkung Die durch die Reisekostenreform zum 01.01.2014 eingeführten gesetzlichen Neuerungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Die für Arbeitnehmer nunmehr gesetzlich definierte, maßgebliche erste Tätigkeitsstätte dürfte nach dem anfänglichen Umstellungsaufwand u.a. im Bereich der arbeits- und dienstrechtlichen Vereinbarungen ein einfaches Zuordnungskriterium darstellen und zur Entlastung der Abstimmungen im Rahmen von Außenprüfungen führen. Auch die Änderungen der Regelungen zu den zeitlich gestaffelten Verpflegungspauschalen bedeuten für die Praxis durch das Entfallen der Prüfung und Aufzeichnung der Abwesenheitszeiten eine deutliche Vereinfachung. Darüber hinaus bietet das umfangreiche BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 01.01.2014 vom 30.09.2013 der Praxis für die Anwendung der Neuregelungen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit insbesondere durch seine vielen Beispiele und Klarstellungen eine anschauliche sowie handhabbare Unterstützung. Stellungnahme S 10/14 des Deutschen Steuerberaterverbands e. V. zur Anwendung der Reisekostenreform zum 01.01.2014 bei der Gewinnermittlung. Im Wesentlichen ist auch der Entwurf des Schreibens zur Anwendung des Reisekostenrechts ab 01.01.2014 bei der Gewinnermittlung gelungen. Den ausdrücklichen Anknüpfungen an die lohnsteuerlichen Regelungen bspw. zur Bestimmung der ortsfesten betrieblichen Einrichtung oder zu den Reisekosten ist zuzustimmen, da sie die gebotene Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften (Gewinnermittler) gewährleistet. Ebenfalls zu sehr begrüßen sind die praxisnahen Beispiele zur Bestimmung der sog. „ersten Betriebsstätte“ und zu den Reisekosten. Sollten sich in der Praxis bei der künftigen Anwendung der Bestimmungen Unsicherheiten bei der Beurteilung der ersten Betriebsstätte ergeben, regt der DStV an, das Schreiben kontinuierlich um weitere klarstellende Beispiele zu ergänzen. An manchen Stellen weist der Entwurf jedoch Unschärfen bei der Implementierung von systemtragenden Prinzipien der Reisekostenreform in den Bereich der Gewinnermittlung auf, die in der täglichen Praxis bereits unmittelbar nach Veröffentlichung des endgültigen Schreibens erhebliche Fragen aufwerfen dürften. Da die Anwendungsregelungen für die Gewinnermittlung auf den 01.01.2014 zurückwirken und sich deshalb der Nachbearbeitungsaufwand für etliche Gewinnermittler bei der Dokumentation ihrer Reisekosten sehr belastend auswirkt, regt der DStV an, dass folgende Ergänzungen bzw. Klarstellungen nicht noch weiter hinausgezögert werden. 1. Bestimmung der ersten Betriebsstätte durch den Gewinnermittler Unter einer Betriebsstätte ist gemäß Randnummer 1 des Entwurfs die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d. h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i. S. d. der Randnummer 3 des BMF-Schreibens vom 30.09.2013 des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt wird. Durch diese allgemeine Bezugnahme auf die Anwendungsregelungen bei Arbeitnehmern steht mangels weiterer Einschränkungen, präziser Verweise oder aber eigenständiger Klarstellungen in Frage, inwieweit die näheren Bestimmungen des BMF-Schreibens vom 30.09.2013 auch bei Gewinnermittlern zur Anwendung kommen. a) Zuordnungsrecht des Gewinnermittlers So steht unter systematischen Gesichtspunkten in Frage, ob dem Gewinnermittler bei der Bestimmung der ersten Betriebsstätte ein Äquivalent zum Organisationsrecht des Arbeitgebers bei der Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte, welches eine der grundlegenden systembestimmenden Neuerungen darstellt, zuseht. Bei der Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers ergeben sich zwei Prüfstufen (vgl.: Randnummer 2 des BMF-Schreibens vom 30.09.2013). Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer durch eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung des Arbeitgebers dauerhaft einer bestimmten ortsfesten Einrichtung zugeordnet ist. Erst wenn eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung nicht vorhanden oder nicht eindeutig ist, erfolgt hilfsweise die Bestimmung nach quantitativen Kriterien. Der Verweis auf die gebotene Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Gewinnermittlern sowie die nahezu gleichlautenden Begriffsbestimmungen legen eine solche Entsprechung und damit ein eigenes Organisationsrecht des Gewinnermittlers zwar nahe. Dem Gewinnermittler werden jedoch keine unterstützenden Hinweise gegeben, in welcher Form er das etwaige Recht ausüben könnte. Zudem lässt der Entwurf Beispiele vermissen, wie eine mögliche Zuordnungsentscheidung dokumentiert werden könnte. Die im BMF-Schreiben vom 30.09.2013 in Randnummer 10 aufgeführten Möglichkeiten wie z. B. Regelungen im Arbeitsvertrag, in Protokollnotizen oder in Einsatzplänen bieten dem Gewinnermittler insoweit keine hilfreichen Anhaltspunkte. Der DStV regt daher zur Vermeidung von streitanfälligen Erörterungen bei Außenprüfungen an, den Entwurf um eine Passage zu ergänzen, aus der eindeutig hervorgeht, in welcher Weise der Gewinnermittler eine Zuordnungsentscheidung treffen kann. Ergänzende Beispiele zur Dokumentation würden die praktische Handhabbarkeit ebenfalls fördern. Soweit ein Äquivalent zum Organisationsrecht des Arbeitgebers für den Gewinnermittler hingegen nicht vorgesehen ist und damit die diesbezüglichen Hinweise aus dem BMF-Schreiben vom 30.09.2013 nicht zur Anwendung kommen, sollte dies im Entwurf ausdrücklich, mit Verweis auf die entsprechenden Randnummern ergänzt werden. b) Dauerhaftigkeit Da die oben aufgeführte Begriffsbestimmung der ersten Betriebsstätte gleich zweimal die Dauerhaftigkeit voraussetzt, liegt es nahe, dass die diesbezüglichen Ausführungen im BMF-Schreiben vom 30.09.2013 (vgl.: Randnummern 13 ff.) entsprechend zur Anwendung kommen. Da allerdings die Hinweise für Arbeitnehmer insoweit auf die Festlegung einer ersten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber abstellen, stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob grundsätzlich und in welcher Weise eine Zuordnungsentscheidung durch den Gewinnermittler selbst getroffen werden kann. Zudem ist dem Entwurf in Ermangelung ausdrücklicher Verweise nicht eindeutig zu entnehmen, ob die zur sog. „Ex-Ante-Betrachtung“ entwickelten Grundsätze auf die Gewinnermittlung eins zu eins zu übertragen werden können. Für die Beurteilung, ob eine dauerhafte Zuordnung durch den Arbeitgeber zu einer ersten Tätigkeitsstätte vorliegt, ist die auf die Zukunft gerichtete prognostische Betrachtung (Ex-ante-Betrachtung) maßgebend (vgl.: Randnummer 14 des BMF-Schreibens vom 30.09.2013). Die Änderung einer Zuordnung durch den Arbeitgeber ist mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse, wie etwa Krankheit, politische Unruhen am Tätigkeitsort, Insolvenz des Kunden o.ä. von der ursprünglichen Festlegung (Prognose) ab, bleibt die zuvor getroffene Prognoseentscheidung für die Vergangenheit bezüglich des Vorliegens der ersten Tätigkeitsstätte maßgebend (vgl.: Randnummer 16 des BMF-Schreibens vom 30.09.2013). Soweit dem Gewinnermittler ebenfalls eine eigene Zuordnungsentscheidung für die Festlegung einer ersten Betriebsstätte eröffnet ist, regt der DStV zur Rechtssicherheit an, dass die vorgenannten, hilfreich klarstellenden Hinweise aus dem BMF-Schreiben vom 30.09.2013 ausdrücklich in den Entwurf aufgenommen werden. Andernfalls sollte der Entwurf zumindest um einen Verweis auf die entsprechenden Randnummern ergänzt werden. 2. Quantitative Zuordnungskriterien bei mehreren Betriebsstätten Der Gleichlauf der quantitativen Merkmale bei der Beurteilung der ersten Betriebsstätte sowie der ersten Tätigkeitsstätte ist grundsätzlich zu begrüßen, da so die beabsichtigte Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Gewinnermittlern gewährleistet wird. a) Betriebsstätte aufgrund regelmäßiger Arbeitszeit Der Satz 2 der Randnummer 3 des Entwurfs birgt jedoch aufgrund des Gleichlaufs eine Unbestimmtheit, die den Gewinnermittler zusätzlichen Bürokratieaufwand aufbürden würde, um für den Fall einer Auseinandersetzung abgesichert zu sein. Die erste Betriebsstätte soll danach u.a. dann zu bejahen sein, wenn der Gewinnermittler an der Tätigkeitsstätte mindestens zu einem Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden will. Dieses Merkmal ist für Arbeitnehmer ein praktikables Mittel zur Beurteilung der ersten Tätigkeitsstätte, da es – wie in § 9 Abs. 4 S. 4 EStG vorausgesetzt – über die im Arbeits- oder Dienstvertrag vereinbarte Arbeitszeit leicht bestimmbar ist. Dem Gewinnermittler dürfte es hingegen in der Praxis (bspw. aufgrund von einer stark projekt- oder saisongeprägten Tätigkeit oder aber aufgrund von nicht vorhersehbarer Auftragslosigkeit) nicht oder aber nur unter erheblichen Anstrengungen möglich sein, seine regelmäßigen Arbeitszeiten zu bestimmen und zu dokumentieren. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Berufsbilder und mangels eines einfach handhabbaren Anknüpfungspunkts bei Gewinnermittlern sollte auf dieses Merkmal verzichtet und in dem Entwurf entsprechend gestrichen werden. b) Prognose Da die quantitativen Kriterien bei der Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers im Wege einer Prognose beurteilt werden, regt der DStV zur Klarstellung und zur Gewährleistung der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Gewinnermittlern an, die Randnummer 3 des Entwurfs um die folgenden Sätze 5 bis 10 zu ergänzen: „Auch die quantitativen Merkmale im Sinne von § 9 Abs. 4 S. 4 EStG sind anhand einer in die Zukunft gerichteten Prognose zu beurteilen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse (wie z. B. Krankheit) hiervon ab, bleibt es bei der zuvor getroffenen Prognoseentscheidung bezüglich der ersten Betriebsstätte. Die Prognoseentscheidung ist zu Beginn der Tätigkeit zu treffen. Die auf Grundlage dieser Prognose getroffene Beurteilung bleibt solange bestehen, bis die Verhältnisse sich maßgeblich ändern. Davon ist z. B. auszugehen, wenn sich das Berufsbild des Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften oder die quantitativen Zuordnungskriterien dauerhaft ändern oder der Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften erstmalig eine Zuordnungsentscheidung trifft.“ (angelehnt an Randnummer 27 des BMF-Schreibens vom 30.09.2013) 3. Keine erste Betriebsstätte Teilweise unbestimmt erscheinen die Kriterien für die Bestimmung der für die Anwendung der Entfernungspauschale maßgeblichen Strecke, wenn keine erste Betriebsstätte besteht. Nach Randnummer 5 des Entwurfs gilt: „Hat der Steuerpflichtige keine erste Betriebsstätte und sucht er nach den Auftragsbedingungen dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise täglich auf, sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und diesem Ort oder die Fahrten zwischen der Wohnung und dem nächst gelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar.“ Zur Abgrenzung zu der Dauerhaftigkeit bei einem etwaigen eigenen Zuordnungsrecht des Gewinnermittlers (s.o.) sowie zu den quantitativen Merkmalen sollte die auftragsbedingte Dauerhaftigkeit durch Beispiele präzisiert werden. Soweit die Ausführungen des weiträumigen Tätigkeitsgebiets im BMF-Schreiben vom 30.09.2013 entsprechen gelten sollen, bietet es sich an, den Entwurf um einen Verweis auf die Randnummern 40 bis 43 zu ergänzen. 4. Rückwirkende Geltung ab 01.01.2014 Die geplante rückwirkende Geltung der Anwendungsregelungen dürfte für die Gewinnermittler zumindest dann einen bürokratischen Mehraufwand bedeuten, soweit sie bisher mangels Vorgaben die Aufzeichnungen zur Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und von Reisekosten zwar nach dem Gesetz, aber abweichend von den künftig geltenden Anwendungsregelungen im Rahmen ihrer monatlichen Buchführung vorgenommen haben. Um Mehrbelastungen durch nachträgliche Korrekturen zu vermeiden, fordert der DStV, den Entwurf um einen 4. Abschnitt zu ergänzen, in dem den Gewinnermittlern in dem Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Schreibens ein Wahlrecht zur Anwendung der Vorgaben eingeräumt wird. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) repräsentiert bundesweit rund 36.500 und damit über 60 % der selbstständig in eigener Kanzlei tätigen Berufsangehörigen. Er vertritt ihre Interessen im Berufsrecht, im Steuerrecht, der Rechnungslegung und dem Prüfungswesen. Die Berufsangehörigen sind als Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Berufsgesellschaften, in den uns angehörenden 16 regionalen Mitgliedsverbänden freiwillig zusammengeschlossen.