Steueranwaltstag 2025
Sehr geehrte Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft,
mit einem abwechslungsreichen Programm fand die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht aktuell wieder im Hotel Pullmann Berlin Schweizerhof statt. Namhafte Referenten aus der Finanzverwaltung, der Justiz und der Beraterschaft kamen zu Wort.
Tagungsbericht – 31. Steueranwaltstag 2025
von Dr. Sebastian Korts
Beim 31. Steueranwaltstag 2025 eröffnete Prof. Dr. Alois Nacke zum Thema „Die Haftung im Steuerrecht – ein Überblick mit Hinweisen zur aktuellen Rechtsprechung“.
Prof. Nacke gab einen strukturierten Überblick über die wesentlichen Haftungstatbestände der Abgabenordnung, insbesondere die Vertreterhaftung nach §§ 34, 69 AO und die Haftung des Steuerhinterziehers nach § 71 AO. Anhand aktueller Entscheidungen des BFH und verschiedener Finanzgerichte zeigte er praxisrelevante Entwicklungen auf, etwa zur faktischen Geschäftsführung, zur Pflicht zur quotenmäßigen Gläubigerbefriedigung und zu den Anforderungen an die Ermessensausübung bei Haftungsbescheiden nach § 191 AO.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Haftung von Geschäftsführern, deren Verschuldensmaßstab, der Aufgabenteilung zwischen mehreren Geschäftsführern sowie den haftungsrechtlichen Folgen fehlerhafter Überwachung und Delegation. Daneben wurde die Abgrenzung zwischen steuerlicher und strafrechtlicher Verantwortlichkeit erläutert, insbesondere die Reichweite der Haftung für hinterzogene Steuern und Zinsen nach § 71 AO.
Der Vortrag schloss mit praktischen Hinweisen zur Verteidigung gegen Haftungsbescheide und zur Bedeutung von Einwendungen gegen den Primäranspruch im Haftungsverfahren. Damit bot Prof. Nacke einen kompakten und praxisorientierten Überblick über ein zentrales, in der Beratung zunehmend bedeutsames Themenfeld des Steuerrechts.
Sodann referierte WP StB Prof. Dr. Ursula Ley zum Thema „Die Bedeutung und Behandlung von Kapitalkonten von Personengesellschaften in steuerlicher Hinsicht“.
Prof. Ley stellte die unterschiedlichen Kontenmodelle (zwei-, drei- und viergliedrig) und deren gesellschaftsrechtliche und steuerliche Einordnung dar. Sie erläuterte, wie sich aus der Verbuchung von Gewinnen und Verlusten auf den Gesellschafterkonten deren Charakter als Eigenkapital oder schuldrechtlicher Anspruch ergibt und welche Konsequenzen sich daraus insbesondere für die Bilanzierung und die steuerliche Behandlung ergeben.
Im Mittelpunkt standen sodann die steuerlichen Wirkungen von Buchungen auf Gesellschafterkonten, insbesondere bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern. Anhand praktischer Gestaltungen zeigte Prof. Ley die Anwendung der Vorschriften der §§ 6 Abs. 3 und 5 EStG, § 24 UmwStG sowie §§ 17, 20 und 23 EStG auf. Dabei wurde deutlich, wie die Wahl des betroffenen Kapitalkontos über Buchwertfortführung, Realisation oder steuerneutrale Einlage entscheidet.
Abschließend wies die Referentin auf Gestaltungsspielräume und Risiken hin, insbesondere bei der disquotalen Verbuchung, der Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Übertragungen sowie der Verlustrealisierung nach § 17 EStG. Ihr Vortrag bot einen praxisnahen Überblick über ein in der Beratung häufig unterschätztes, aber steuerlich hochrelevantes Thema.
Das letzte Referat am Vormittag hielt Prof. Dr. Ulrich Prinz, WP/StB (YPOG, Köln) zum Thema „Steuerstreit um Rückstellungen – ein aktueller Überblick zu steuerbilanziellen Zweifelsfragen“.
Prof. Prinz beleuchtete zunächst die rechtlichen Grundlagen handels- und steuerbilanzieller Rückstellungen und die daraus resultierenden methodischen Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz. Im Zentrum standen aktuelle BFH-Entscheidungen zu Sachleistungsrückstellungen, Altersfreizeit- und Vorruhestandsmodellen, Kundenbindungsprogrammen sowie zu Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG. Er erläuterte, dass insbesondere die restriktiven steuerlichen Bewertungsansätze – etwa der Zinssatz von 6 % – zu erheblichen Abweichungen und „stillen Lasten“ führen.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Ansatzverbot für Drohverlustrückstellungen (§ 5 Abs. 4a EStG), das Prof. Prinz als systemwidrig und verfassungsrechtlich fragwürdig bewertete. Er forderte eine gesetzgeberische Reform, um die Bilanzierungspraxis stärker an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anzupassen und die Abzinsungstechniken zwischen Handels- und Steuerrecht zu harmonisieren.
Der Vortrag bot damit einen umfassenden Überblick über die aktuellen Streitfragen zur Rückstellungsbildung und verdeutlichte zugleich den Reformbedarf im steuerlichen Bilanzrecht.
Herr Dr. Stefan Rolletschke, nicht persönlich anwesend, stellte zwei praxisrelevante Themen aus dem Bereich des Steuerstraf- und Steuerverfahrensrechts vor.
Im ersten Teil erläuterte er die Gründung und Struktur des Landesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW), dessen Leiter er ist Das 2024 eingerichtete Amt fungiert als zentrales elftes Finanzamt des Landes und bündelt bisherige Sondereinheiten der Steuerfahndung (u.a. Task Force, ARES, ZEUS). Neben den Abteilungen für Analyse, Strategie und Finanzkriminalität wurde ein IT-Kompetenzzentrum geschaffen, das insbesondere die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug, Geldwäsche und Cum-Ex-Strukturen unterstützt. Seit 2025 sind die ehemaligen Finanzämter für Steuerstrafsachen als regionale Abteilungen in die Behörde integriert, um eine landesweite Koordination der Steuerfahndung sicherzustellen.
Im zweiten Teil widmete sich der Referent der abweichenden Rechtsprechung des OLG Köln (Urt. v. 31.01.2017) und des BFH (Urt. v. 14.05.2025) zur „Unkenntnis der Finanzbehörde“ bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Während das OLG Köln das Tatbestandsmerkmal der Unkenntnis in die Vorschrift hineindeutete und dabei auch elektronisch gespeicherte Daten als „bekannt“ wertete, differenziert der BFH: Nur der Akteninhalt und die elektronisch geführte Steuerakte gelten als zugerechnet, nicht jedoch bloß abrufbare Datensätze. Die Frage, ob die BFH-Rechtsprechung zur Wissenszurechnung (§ 173 AO) auf § 370 AO übertragbar ist, bleibt weiter offen.
Anschließend referierte Holger Maier, Geschäftsführer der FGS Digital GmbH, zum Thema „Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in der steueranwaltlichen Praxis – Aktuelle Fallbeispiele und Zukunftsperspektiven“.
Maier zeigte eindrucksvoll, wie weit die Integration von KI im Steuer- und Rechtswesen bereits fortgeschritten ist. Nach einer Einführung zu den Auswirkungen der Digitalisierung und den rechtlichen Rahmenbedingungen (u.a. Mandatsgeheimnis, Datenschutz und KI-Verordnung) stellte er praxisnahe Anwendungsbeispiele vor. Dazu zählten KI-gestützte Wissensdatenbanken, automatisierte Quellensteuerklassifikationen, E-Invoice-Validierungen sowie der Einsatz von KI bei der Analyse steuerlicher Prozesse und im Risikomanagement.
Besonderes Augenmerk legte Maier auf die praktische Nutzbarkeit von KI-Tools in der täglichen Arbeit von Steuerberatern und Anwälten – etwa bei der Dokumentenprüfung, der Mandantenkommunikation oder der Analyse großer Datenmengen. Abschließend gab er einen Ausblick auf die Zukunft der steuerlichen Beratung, in der KI Routinetätigkeiten übernimmt, während Beraterinnen und Berater zunehmend strategische und technologische Kompetenz verbinden müssen, um Mandanten effizient und rechtssicher zu begleiten.
Den Vortragsteil des Samstag eröffnete StB Prof. Dr. habil. Günther Strunk zum Thema „Mythen im Steuerrecht – Achtung vor Gestaltungsberatung im Internet“.
Prof. Strunk zeigte eindrücklich, wie vermeintliche Steuerstrategien im Internet – etwa durch „Steuergurus“, YouTube-Coaches oder KI-gestützte Systeme – zunehmend Mandanten beeinflussen und zu gefährlichen Fehleinschätzungen führen. Anhand konkreter Beispiele wie Familiengenossenschaften, Auslandsfirmenmodellen oder fragwürdigen Stiftungskonstruktionen verdeutlichte er, dass viele dieser Angebote mit Halbwahrheiten und rechtlich unhaltbaren Versprechen arbeiten.
Er stellte klar, dass künstliche Intelligenz zwar Informationen liefern, aber keine rechtssichere steuerliche Beratung ersetzen kann. Der Berufsstand müsse dem mit fachlich fundierter, strategisch orientierter Beratung begegnen. Strunk appellierte an Steuerberater, das Mandantengespräch stärker auf Aufklärung und nachhaltige Gestaltungsberatung auszurichten: Steuern müssten dem Leben folgen – nicht umgekehrt. Sein Fazit: Seriöse Steuerberatung bleibt unverzichtbar, gerade in einer Zeit wachsender digitaler Fehlinformationen.
Frau Dr. Sina Baldauf, Richterin am Bundesfinanzhof, folgte mit dem Thema „Aktuelle Rechtsprechung und Streitfragen zur Auslegung von § 7 Abs. 8 ErbStG (Schenkungsteuer bei Leistungen an Gesellschaften)“.
Dr. Baldauf zeichnete zunächst die Rechtsentwicklung zur Abgrenzung zwischen Schenkungen an Gesellschaften und an Mitgesellschafter nach. Sie erläuterte, dass Einlagen eines Gesellschafters regelmäßig nicht als Schenkung an die Gesellschaft gelten, während Leistungen Dritter durchaus schenkungsteuerpflichtig sein können. Anschließend wurde die neuere BFH- und FG-Rechtsprechung vorgestellt, darunter die Entscheidungen des BFH vom 10. April 2024 (II R 22/21, II R 23/21) zur verbilligten Abtretung eigener GmbH-Anteile, das Urteil des FG Hamburg vom 27. Februar 2024 (3 K 117/22) zur Einlage eines GmbH-Anteils in eine KG sowie der BFH-Beschluss vom 6. Juni 2025 (II B 43/24) zur gesellschafterbezogenen Kapitalrücklage.
Zentral war die Diskussion, ob § 7 Abs. 8 ErbStG eine subjektive Komponente (Bereicherungsabsicht) voraussetzt und in welchem Verhältnis die Norm zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steht. Im Ausblick wies Dr. Baldauf auf bestehende systematische Unstimmigkeiten zwischen der Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften hin und stellte ein mögliches Tätigwerden des Gesetzgebers in Aussicht, insbesondere zur Harmonisierung der Verschonungsregelungen nach § 13b ErbStG.
Den Abschluss der Tagung bildete das Referat von Herrn Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. Thomas Stein (Stein & Partner mbB) zum Thema „Ertragsteuerliche Fragen von Nießbrauchgestaltungen – Vorteile und Streitfelder“.
Dr. Stein stellte eingangs die zivilrechtlichen Grundlagen und verschiedenen Ausprägungen des Nießbrauchs dar – vom Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch bis hin zu Nießbrauchsgestaltungen an Gesellschaftsanteilen. Er zeigte auf, dass jede Nießbrauchsform eigenständige steuerliche Wirkungen entfaltet, insbesondere hinsichtlich der Einkünftezurechnung und der Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG bei Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt.
Anhand aktueller BFH-Rechtsprechung erläuterte er, dass die Buchwertfortführung regelmäßig entfällt, wenn der Vorbehaltsnießbraucher die Tätigkeit fortführt, und dass bei Betriebsaufspaltungen der Nießbrauchsvorbehalt zur Beendigung der personellen Verflechtung führen kann. Ein Schwerpunkt lag auf der Einkünftezurechnung: Bei Kapitalgesellschaftsanteilen und Kapitalvermögen ist diese grundsätzlich dem Eigentümer zuzuordnen, während bei Mitunternehmeranteilen die Frage der doppelten Mitunternehmerstellung zwischen Gesellschafter und Nießbraucher weiterhin umstritten bleibt.
Abschließend ging Dr. Stein auf Ablösevorgänge und steuerliche Folgen ein. Er betonte die zunehmende Rechtsunsicherheit durch divergierende BFH- und Verwaltungsauffassungen und hob die Bedeutung einer sorgfältigen Vertragsgestaltung sowie ggf. verbindlicher Auskünfte hervor, um steuerliche Risiken bei Nießbrauchsgestaltungen zu vermeiden.
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Im Rahmen der Mitgliederversammlung am Abend des ersten Veranstaltungstages wurde der geschäftsführende Ausschuss mir Dr. Martin Wulf als Sprecher wiedergewählt.

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