Keine freigebige Zuwendung bei sog. Bedarfsabfindung für den Scheidungsfall

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Orientierungssatz:
Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind („Bedarfsabfindung“), liegt keine freigebige Zuwendung vor.

 

Entscheidung:
BFH, Urteil vom 1. September 2021 – II R 40/19

I.    Sachverhalt
Die Klägerin schloss anlässlich ihrer Eheschließung mit ihrem früheren Ehemann im Jahre 1998 einen notariell beurkundeten Ehevertrag, in dem u.a. der gesetzliche Versorgungsausgleich zugunsten einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht ausgeschlossen und der nacheheliche Unterhalt begrenzt wurde. Die Klägerin und ihr früherer Ehemann vereinbarten den Güterstand der Gütertrennung. Der Klägerin wurde ein indexierter Zahlungsanspruch „im Falle der Scheidung“ eingeräumt. Dieser Zahlungsanspruch sollte bei dem Bestand der Ehe von 15 vollen Jahren X DM betragen; bei der Ehescheidung vor Ablauf dieser Frist sollte sich der Betrag „pro rata temporis“ vermindern.
Die im Jahre 1998 geschlossene Ehe wurde im Jahre 2014 geschieden. Der frühere Ehemann zahlte an die Klägerin in Vollzug der getroffenen Vereinbarung noch im Jahre 2014 den vereinbarten Betrag.
Der Beklagte (das Finanzamt) erließ anschließend einen Schenkungssteuerbescheid für die vom früheren Ehemann im Jahre 2014 an die Klägerin geleistete Zuwendung. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Zuwendung sei nicht mit einer Gegenleistung der Klägerin verknüpft gewesen. Aus der Vereinbarung der Gütertrennung könne kein Verzicht der Klägerin auf eine Zugewinnausgleichforderung abgeleitet werden. Bei Abschluss des Ehevertrages sei ungewiss gewesen, ob die zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossene Ehe später geschieden werden würde. Der frühere Ehemann habe auch gewusst, dass er weder zum Abschluss des Ehevertrages noch zur Zusage der Ausgleichszahlung verpflichtet gewesen sei.
Mit der Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geltend. Sie trägt vor, dass der BFH bislang nur entschieden habe, dass die mit Abschluss eines Ehevertrags für den Verzicht auf Scheidungsfolgen unverzüglich zu leistende Zahlung („Pauschalabfindung“) als freigebige Zuwendung zu versteuern sei. Diese Qualifikation gelte aber nicht, wenn wie im Streitfall die Leistung nur für den Fall der Ehescheidung vereinbart werde, also nur und erst dann zu erbringen sei, wenn der erklärte Verzicht auf Scheidungsfolgen tatsächlich zum Tragen komme.

II.    Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Nach der Auffassung des BFH erfüllt die Leistung des früheren Ehemannes der Klägerin nicht den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung.
Der erkennende Senat musste sich in dem vorliegenden Revisionsverfahren mit der Abgrenzung einer sog. Pauschalabfindung von einer Bedarfsabfindung auseinandersetzen. Den entscheidungserheblichen Unterschied sieht der BFH darin, dass die Pauschalabfindung ohne Gegenleistung erfolgt und damit als unentgeltlicher Vorgang der Schenkungsteuer unterliegt, wohingegen die Bedarfsabfindung mit Gegenleistung erbracht wird.

Zur Begründung führte der BFH im Einzelnen aus: Keine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt vor, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung - abweichend von den gesetzlichen Leitbildern - umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe (z.B. durch Scheidung) Zahlungen eines Ehepartners an den anderen vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind (sog. "Bedarfsabfindung"). Bei der Bedarfsabfindung ist die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bzw. der Abfindung an die Beendigung der Ehe geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist damit gemäß § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingt und erwächst erst mit Eintritt der betreffenden Bedingung zum Vollrecht. Ziel einer solchen Vereinbarung ist einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze zu sichern.

Wird die Ehe dann tatsächlich (z.B. durch Scheidung), beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung. Diese Vereinbarung ist aber seiner Art nach ein Gesamtpaket zur Regelung aller Scheidungsfolgen. Nach Ansicht des BFH kann ein solches Gesamtpaket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt werden, denn Inhalt eines solchen Vertrags ist ein umfassender Ausgleich aller Interessengegensätze bei einer möglichen späteren Ehescheidung. Das Herauslösen von Einzelleistungen aus dem vertraglichen Gesamtpaket und deren Qualifizierung als unentgeltlich ist nicht möglich.

Anders ist es jedoch bei einer „Pauschalabfindung“. Die Zahlung einer "Pauschalabfindung" unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichanspruchs vor Eingehung der Ehe ist nach der Rechtsprechung des BFH eine steuerbare freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn die Zahlung wird weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt (BFH, Urteil v. 17.10.2007, II R 53/05, BStBl II 2008, 256). Ein Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht. Denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.

Zudem führt der BFH aus, dass anders als bei der Pauschabfindung die Regelung des § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Bedarfsabfindung nicht anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift werden Gegenleistung, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Während bei Zahlung einer Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch in Zukunft ungewiss ist und damit nicht bewertet werden kann, ist bei der Bedarfsabfindung die Zahlung des Ausgleichsanspruchs an die Beendigung der Ehe geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist damit aufschiebend bedingt und erwächst erst mit Eintritt der Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mit einem solchen Vertrag vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesen Zeitpunkt bewerten zu müssen, bedeutet nicht, dass diese Bewertung nicht grundsätzlich möglich wäre.

Die Zahlung des Ehemanns erfüllt im Streitfall nicht den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn er hatte sich nicht zu einer sofortigen Pauschalabfindung ohne Gegenleistung verpflichtet. Nach der getroffenen Vereinbarung sollte die Ehefrau erst im Fall einer Scheidung eine Zahlung zur Abgeltung verschiedener ggf. gesetzlich möglicher familienrechtlicher Ansprüche erhalten. Diese wurden lediglich dem Umfang nach durch die vorherige Vereinbarung modifiziert. Hinzu tritt, dass es sich bei der Vereinbarung der Abfindungszahlung nicht um eine singuläre Abrede zwischen der Ehefrau und dem Ehemann handelte. Vielmehr ist die Klausel in ein Vertragskonvolut eingebettet, was eine isolierte Betrachtung verbietet.
Schließlich führt der erkennende Senat auch noch das Argument an, dass eine Schenkung deshalb scheitern würde, weil es ferner am subjektiven Willen zur Freigebigkeit beim Ehemann fehlt. Der Ehemann handelte nicht in dem Bewusstsein einer (objektiven) Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung. Vielmehr diente der Vertrag mit der Ehefrau einschließlich der Abfindungszahlung aus Sicht des Ehemanns dazu, das eigene Vermöge vor unabwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Scheidung zu schützen.

Als im Jahre 2014 aufgrund der Scheidung der Ehemann die Bedarfsabfindung leistete und dies eine entgeltlich Leistung darstellte, stellt sich die Frage, nach den steuerlichen Konsequenzen. Hier kommen die allgemeinen ertragsteuerlichen Vorgaben zur Anwendung. Die einfache Zahlung eines Geldbetrages stellt sich steuerneutral dar, wohingegen Sachleistungen aus dem Betriebsvermögen zu Gewinnrealisierungen führen können. Erfolgen Sachleistungen aus dem Privatvermögen sind diese grundsätzlich nicht ertragsteuerbar, es sei denn Sondernormen kommen zur Anwendung, wie z.B. eine Leistung i.S. der §§ 17 und 23 EStG.

(RAe Alessandro Saitta und Claudius Söffing)